Konkrete Caritas-Hilfe im "Sozialdrama" Moldawien
Das Drama von Elend und Verlassenheit in der Republik Moldau, dem ärmsten Land Europas, sieht die Caritas Österreich als dringliche Aufgabe, "konkreten Menschen in Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern vor Ort ganz konkret zu helfen". Das sagte der Caritas Österreich-Präsident im Zuge einer Journalistenreise in die Republik Moldau und dessen abtrünnige Region Transnistrien mit Lokalaugenschein bei Caritas-Einrichtungen. In dem osteuropäischen Land, an 111. Stelle auf dem Index für menschliche Entwicklung (Österreich an Position 19) und mit einer Migrationsrate von 25 Prozent, seien vor allem Kinder, Frauen und alte Menschen betroffen. Das "Nicht-wissen-Wollen" des Westens um die große soziale Not Moldawiens sei ein schwerer Fehler, so Küberl gegenüber "Kathpress".
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Die Caritas ist in der Republik Moldau an insgesamt 25 Hilfsprojekten beteiligt; im gesamten osteuropäischen Raum sind es über 200 Projekte, 108 Projekte davon richten sich speziell an Kinder in Not. Diese Kinder sind es, auf die die Caritas mit ihrer am Donnerstag in Wien gestarteten Kinderkampagne "Für tausende Kinder in Osteuropa ist das Leben kein Spiel" aufmerksam machen möchte. Es gehe darum, Kindern in diesen Ländern Zukunft zu geben, damit sie nicht auswandern, so Caritas-Präsident Küberl bei einem Pressegespräch. Zugleich appellierte er an die österreichische Politik, die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit nicht weiter zu kürzen.
Küberl war am Mittwochabend von einem Lokalaugenschein in der Republik Moldau zurückgekehrt, der, wie er sagte, "an die Nieren" ging: So mache die Caritas mit ihrer Arbeit vor Ort "öffentlich, was bei uns nicht gesehen wird und mitunter nicht gesehen werden will" - etwa die "große Armut, die Verzweiflung und Nicht-Zukunft gerade der Kinder", so Küberl. Wie das Sozialministerium dem von "Kathpress" begleiteten Caritas-Präsidenten mitteilte, gäbe es gerade bei Kindern im Alter zwischen neun bis 14 Jahren auffallend viele Selbstmorde. "Die Verzweiflung dieser jungen Menschen geht mir sehr an die Nieren", so der Caritas-Präsident. Gründe sind auch Verlassenheit, Mangel an Fürsorge und Obhut, worunter die vielen Sozialwaisen, deren Eltern die ökonomisch prekären Verhältnisse zur Arbeitssuche im Ausland hinter sich lassen, leiden.
Emigration weg aus Elend und Prekariat
Die Arbeitsmigranten würden zwar beträchtliche Geldmittel ins Land zurückschicken - Schätzungen zufolge 21 Prozent des gesamten moldauischen Staatsbudgets. Die soziale Kehrseite seien jedoch viele zurückgelassene Kinder, die "häufig auf der Straße landen, unter Bedingungen sozialer und materieller Verwahrlosung leben müssen und aus Mangel an Perspektiven letztlich selbst den Gang in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse im Ausland antreten müssen", erläuterte Küberl auf der viertägigen Reise. Mehr als 130.000 junge Menschen zwischen 14 und 24 Jahren wanderten laut UNICEF in den letzten zehn Jahren ins Ausland ab, die Republik Moldau gilt als eines der Hauptankerplätze für Schlepperbanden und Menschenhändler.
Gemeinsam mit Medienvertretern besuchte Küberl u.a. ein Mutter-Kind-Heim in der Hauptstadt Chisinau, das die Caritas der Erzdiözese Wien gemeinsam mit der "Diaconia", der Sozialorganisation der bessarabisch-orthodoxen Kirche, seit 2011 betreibt. Mädchen und Frauen, die durch Schwangerschaft in Not geraten sind, sich angesichts der landesweit hohen Wohnkosten kein Heim leisten können oder von der vielfach verbreiteten Stigmatisierung von außerehelichen Schwangerschaften selbst durch die eigenen Familienmitglieder betroffen sind, erhalten in den zehn Wohneinheiten vorübergehend Unterkunft, soziale und psychologische Betreuung, die sich auf den Aufbau einer positiven Mutter-Kind-Beziehung sowie die Stärkung von Alltagskompetenzen wie die Haushaltsführung in prekären Verhältnissen konzentriert. "Die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der 'Diaconia' ist eine großartige Form der Ökumene des konkreten Handelns", so Küberl.
Vorbildhaftes Kinderzentrum
Als ein für die gesamte Region Beispiel gebendes Projek hob der Caritas-Präsident das Krisen- und Tageszentrum "Petrushka" in Tiraspol, der zentralen Stadt von Transnistrien, hervor. Die Transnistrische Moldauische Republik hat sich im Zuge gewaltsamer Auseinandersetzungen mit mehr als 1.000 Toten im Jahr 1992 vom Rest des Landes abgespalten, wird politisch eigens verwaltet, international jedoch nicht anerkannt. Die Lebensbedingungen der rund eine halbe Million Einwohner Transnistriens, wo bis heute russisches Militär präsent ist, ist seit der Abspaltung stetig gesunken. Das Zentrum "Petrushka", das aus einem Straßenkinderprojekt des polnischen Paters Pjotr entstand, bietet etwa 40 Mädchen und Buben Nachmittagsbetreuung und 25 Kindern einen 24-Stunden-Aufenthalt.
Die Kinder kommen aus ärmsten Familienverhältnissen, in denen häufig Alkoholabhängigkeit eine Negativspirale von Arbeitslosigkeit, häuslicher Gewalt und Missbrauch beschleunigt. In dem Zentrum erhalten die Kinder warmes Essen, schulische, psychologische und medizinische Betreuung, die Möglichkeit zu einem geregelten Alltag mit Spielen unter Gleichaltrigen, der Bewältigung von Hausaufgaben und der Fürsorge durch engagierte Betreuerinnen. "Dieses Zentrum ist auch deshalb so vorbildhaft, weil es der UNICEF-Heimreform im Sinne einer Deinstitutionalisierung Rechnung trägt. Kinder sind deshalb unsere primäre Zielgruppe, weil sie die einzig reale Zukunft des Landes sind", betonte Küberl.
Politisches Versagen kompensieren
Wie die Zukunftspläne für die Caritas-Arbeit im ärmsten Land Europas aussehen? "Wir wollen eine bessere Vernetzung zwischen den Sozialeinrichtungen und -organisationen vor Ort und in der Kooperation mit Österreich erreichen. Es geht nicht nur darum, das Versagen der politischen Verantwortungsträger, die mehr auf sich als auf andere schauen, zu kompensieren, sondern die Politik durch Beispiel gebende Projekte auch positiv zu motivieren. In Planung ist außerdem ein längerfristiges Projekt, in dessen Rahmen mobile Betreuer eine flächendeckendere Unterstützung für Kinder vor allem im besonders armen ländlichen Raum leisten sollen", skizzierte Küberl. Auch wenn es ihm angesichts der erfahrenen Not "mies geht, das was wir tun können, ist Ärmeln aufzukrempeln und im Sinne von Albert Schweitzers Devise 'Wer einen Menschen rettet, rettet die Welt', ganz konkret und schrittweise zu helfen", so der Caritas-Präsident abschließend. (Infos: www.caritas.at)
Caritas-Spendenkonto: PSK: 7.700.004, Erste Bank: 012-34560
Quelle: Kathpress