Stichwort "Republik Moldau"
In nur eineinhalb Flugstunden - genauso lange wie von Schwechat nach London/Heathrow - gelangt man von Wien aus in eine andere Welt, in der materielle Not und seelische Niedergeschlagenheit, Verfallenheit und Vergessenheit einander die Hände reichen: Die Republik Moldau einschließlich der abtrünnigen, eigens verwalteten und nicht anerkannten Transnistrischen Moldauischen Republik, umschlossen von Ukraine und Rumänien, ist auch Europa, wenn auch dessen unbeachteter, blinder Fleck.
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Die Republik Moldau hat knapp mehr als 3,5 Millionen Einwohner, etwa 40 Prozent davon leben in Städten, der Großteil in der Hauptstadt Chisinau (gesprochen: "Kischinau") mit ihren rund 700.000 Menschen. Seit sich der noch junge Staat am 27. August 1991 von der Sowjetunion für unabhängig erklärt hat, hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation im ehemaligen Wein-, Obst- und Gemüsegarten der UDSSR stetig verschlechtert.
Lebenserwartung bei 65 Jahren
Der Staat liegt an 111. Stelle des Index für menschliche Entwicklung ("Human Development Index", HDI), das nicht gerade vor Reichtum strotzende Nachbarland Rumänien liegt 61 Plätze davor (50.). Die Lebenserwartung beträgt 65 Jahre, in Österreich 78,5 Jahre bei Männern und mehr als 83 Jahre bei Frauen. Mehr als 90 Prozent der moldauischen Bürger sind orthodox - moldauisch, ukrainisch, russisch oder bessarabisch orthodox. Die katholische Kirche bildet mit etwa 20.000 Mitgliedern eine kleine Minderheit.
Die Menschen in der parlamentarischen Republik Moldau haben zu drei Viertel rumänischen Hintergrund, die beiden größten ethnischen Minderheiten sind Ukrainer (acht Prozent) und Russen (6 Prozent). In der abtrünnigen Region Transnistrien ist der Anteil von Moldauern, Russen und Ukrainer hingegen gedrittelt, hier dominiert die Zugehörigkeit zu Russland, was nicht nur an der Stationierung russischer Armeeeinheit auf transnistrischen Territorium, sondern auch an den Handelsbeziehungen und der vorherrschenden Sprache offensichtlich ist.
Eingefrorener Konflikt
Der Transnistrien-Konflikt, der 1992 eskalierte und in eine gewaltsame Auseinandersetzung mit mehr als 1.000 Toten mündete, ist derzeit eingefroren ("frozen conflict"). Von einer Lösung kann keine Rede sein, das de facto eigenständige transnistrische Regime, das seit knapp mehr als einem Jahr mit Jewgeni Schewtschuk einen neuen Präsidenten hat, wird nirgends als solches anerkannt, vermag aber dank enger Beziehungen zu Russland und der seit der Sowjetzeit bestehenden Schwer- und Energieindustrie, die in und um die Hauptstadt Tiraspol angesiedelt ist, zu überleben. Die Passierung der Grenze verlangt zwar angesichts einer aus der Sowjetzeit nachklingenden Bürokratie Geduld, ist aber ohne gröbere Schwierigkeiten möglich. Angesichts des Verhandlungsstillstandes ohne ersichtliche Lösung findet das Problem der transnistrischen Segregation kaum internationale Beachtung.
Auch in der Republik Moldau gibt es mit Nicolae Timofti von der "Allianz für die europäische Integration" einen neuen Präsidenten. Er ist seit März 2012 im Amt und steht für einen proeuropäischen Kurs in einem Land, das seit seiner Unabhängigkeit durch die politische Pattsituation zwischen Kommunisten (zunächst über 50, derzeit knapp 40 Prozent) und Opposition geprägt ist.
Große Armut und eine hohe Migrationsrate drücken der moldauischen Gesellschaft ihren Stempel auf. Mehr als eine Million Menschen haben in den letzten 20 Jahren das Land mit seinen fehlenden Perspektiven desolaten Sozial- wie Wirtschaftsstrukturen verlassen. Die trieste Situation verschärft sich noch einmal in den Dörfern am Land: Wer konnte, ist längst fort, die Zurückgebliebenen nagen, wenn überhaupt, über eine Landwirtschaftsfläche verfügend, die gerade zur Subsistenzwirtschaft langt, am Hungertuch.
Quelle: Kathpress