"Theologische Fakultäten sind kein Betverein"
"Wir sind kein 'Betverein'": Mit diesen Worten verteidigt die neue Dekanin der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät, Prof. Sigrid Müller, die bleibende Relevanz der Theologie als wissenschaftliche Disziplin an staatlichen Universitäten. Die Theologie sehe sich zunehmend unter Legitimationsdruck gesetzt, diesem könne man jedoch ohne weiteres durch "säkulare Argumente" entgegentreten, so Müller im Interview mit der Zeitschrift "miteinander". "Das Stichwort lautet Interdisziplinarität" - anders gesagt: Im fächerübergreifenden wissenschaftlichen Arbeiten würden auch skeptische Kollegen anderer Disziplinen schnell Methode und Wert theologischer Wissenschaft erkennen.
"Wir suchen auf der Basis des Glaubens auf hohem wissenschaftlichen Niveau die Auseinandersetzung mit historischen, biblischen, aktuellen und anderen Themen." Dafür spreche auch die Tatsache, dass allein die Wiener Fakultät durch fünf Forschungsplattformen mit anderen universitären Fächern eng verbunden ist, so Müller. Die heutige Breite des Studiums verdanke sich vor allem dem "aggiornamento" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), also der Öffnung der Kirche und der Theologie. Seither müsse sich die Theologie nicht nur vor dem Forum der anderen Wissenschaften behaupten, sondern auch öffentlich stärker Zeugnis ablegen. "Da haben wir Theologen eindeutig eine diskursive Bringschuld", so die Dekanin unter Verweis etwa auf die aktuellen öffentlichen Debatten über Kirchenfinanzierung, Kirchenreform oder "Pfarrer-Initiative".
Die Breite des Studiums habe heute zwei Folgen: Zum einen führe sie zu einer hohen Qualifikation der Studierenden, die als "gefragte Allrounder" gerade in "Führungspositionen" geschätzt würden. Berufsfelder seien etwa die Wirtschaft, die Personalentwicklung oder der Journalismus: "Theologen werden geschätzt für ihre breite methodische Ausbildung, ihre Fähigkeit zum ausgewogenen Argumentieren, ihr Gespür für den Umgang mit Menschen und ihre Fähigkeit zu konsensuellen solidarischen Lösungen - aber auch für ihr hohes Maß an kritischer Loyalität."
Die andere Seite der Medaille habe man unlängst im jüngsten Evaluierungsbericht der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät gesehen, in dem Studierende über ein "überfrachtetes Studium" geklagt hätten. Sie verstehe diese Klage als Aufgabe für ihre Amtszeit als Dekanin, die "Studierbarkeit" des Faches zu verbessern und u.a. die Kooperation mit anderen Fakultäten österreichweit zu verbessern. Es brauche nämlich eine bessere Abstimmung der Studienpläne, ist Müller überzeugt, "um die Mobilität der Studierenden zu erhöhen und um sie zu auswärtigen Semestern zu ermutigen." Gerade Theologen müssen "raus und sich nicht in ihr Studierzimmer zurückziehen".
Quelle: Kathpress