Kirche startet "Zukunftsforum"
"Wo drückt der Schuh?" - diese Frage wird die katholische Kirche in Österreich nach dem Kick-off zu ihrem Zukunftsforum auf dem Wiener Brunnenmarkt/Yppenplatz wohl noch länger bewegen. Einige Hundert sind am Samstag gekommen, um sich ein Bild von der neuen Initiativen zu machen, die von der Bischofskonferenz und den Laienorganisationen getragen ist und ein verstärktes gesellschaftliches Engagement von Christen zum Ziel hat. Die Eröffnung des Zukunftsforums lag somit beim Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, und bei Gerda Schaffelhofer, die an der Spitze der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) steht, der von den Bischöfen mit der Moderation des Projekts beauftragten Laienorganisation.
Es sei "höchste Zeit, einen Zukunftsdialog für unser Land und auch in der Kirche zu führen", betonte Kardinal Schönborn in seinen Eröffnungsworten. Dabei dürfe es "keine Nabelschau" der Kirche geben, denn "das interessiert niemanden in diesem Land". Es sei notwendig, "wirklich hinzuschauen, wo der Schuh drückt", so der Kardinal, der der KAÖ für die Idee des Zukunftsforums dankte.
Gerechtigkeit, Wahrheit, Freiheit
"Wie geht es weiter mit der Bildung, mit der Zukunft der Jugend und das angesichts einer hohen öffentlichen Verschuldung", fragte der Kardinal exemplarisch und nannte als weitere Zukunftsthemen Immigration, Integration, und die wachsende religiöse und weltanschauliche in Österreich. Damit dieser Dialog mit der säkularen Welt, von der die Kirche viel lernen könne, gelingen kann, seien "Gerechtigkeit, Wahrheit und Freiheit" unabdingbar, zeigte sich der Kardinal überzeugt. Christen sollten "Nachdenklichkeit in der Gesellschaft einbringen", denn: "Slogans allein reichen nicht".
Damit das Zukunftsforum und der Dialog mit allen gesellschaftlichen Kräften Ergebnisse bringen kann, brauch es "gegenseitiges Wohlwollen, mit anderen Worten: Nächstenliebe im christlichen Sinn". Es gelte "einladend zu sein", so der Wunsch des Kardinals für den weiteren Weg der Kirche und des Zukunftsforums.
Weg der Erneuerung mit dem Papst gehen
Deutlich Rückenwind aus Rom verspürt die KAÖ-Präsidentin für das Zukunftsforum. Mehrfach nahm Schaffelhofer bei ihren Eröffnungsworten direkten Bezug auf Papst Franziskus. Gegen die Gefahr der "globalisierten Gleichgültigkeit" solle das Zukunftsforum "eine Kultur des offenen Blicks und des wachen Zuhörens in der Kirche stärken". Dies würde den einzelnen, genauso wie Gesellschaft und Kirche ändern.
Dass der christliche Einsatz für gesellschaftliche Fragen auch Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Kirche selbst hat, stellte Schaffelhofer in das Zentrum ihrer Ansprache und sagte: "So wie Papst Franziskus träumen viele von einer Kirche, die nicht ängstlich um sich selbst kreist, sondern ihre Tore weit öffnet, um hinauszugehen zu den Menschen, die nicht mehr hereinkommen in die Kirchen." Es gelte als Kirche die Sorgen und Probleme aller Menschen - ob gläubig oder nicht - ernst zu nehmen und mit diesen den Dialog zu suchen. Statt "betretenes Schweigen" in der Kirche sollten "alle anstehenden Fragen offen angesprochen werden, ehrlich, mutig, selbstkritisch".
Laut Schaffelhofer würden sich viele eine Kirche wünschen, "die nicht von Frust und Resignation geprägt ist, sondern den Mut zur Veränderung aufbringt". Papst Franziskus habe "viele Tore aufgestoßen". Das Zukunftsforum wäre eine Möglichkeit, um mit dem Papst den Weg der kirchlichen Erneuerung in Österreich zu gehen.
Heiße Phase ab Herbst 2014
Mit dem Kick-off beginnt jene Phase des Zukunftsforums, wo es um das Aufspüren der gesellschaftlichen Druckpunkte in Bereichen wie Beziehung, Familie, Bildung, Arbeit, Pluralität, Ökonomie und Ökologie geht. Um möglichst viele Meinungen zu sammeln, wurde mit Samstag eine Online-Befragung gestartet, die bis zum Jahresende dauert.
Eine wesentliche Rolle bei der Auswertung der Ergebnisse spielen dann die vier Themenverantwortlichen, die bei der Auftaktveranstaltung vorgestellt wurden und ihre Bereiche skizzierten. Es sind dies die Religionspädagogin Andrea Lehner-Hartmann und die Pastoraltheologin Prof. Regina Polak, die für die Bereiche Bildung bzw. Pluralität/Zusammenleben in der Gesellschaft zuständig sind. Der Familienforscher und Sozialrechtsexperte Prof. Wolfgang Mazal wird für das Themenfeld Beziehung/Familie zuständig sein, der Kärntner Theologe Ernst Sandriesser für Fragen der Umwelt und globalen Verantwortung.
Allianzen suchen
Eine zukunftsfähige Kirche muss das Potenzial der Jugendlichen wieder neu entdecken. Das betonte Weihbischof Franz Lackner auf dem Podium des Zukunftsforums und ermutigte die Kirche, Allianzen mit anderen Lebensbereichen einzugehen. Keinesfalls dürfe die Kirche den jungen Menschen Gott vorenthalten. "Welchen theologischen Fußabdruck hinterlassen wir?" fragte Lackner in Anspielung auf das Bild vom "ökologischen Fußabdruck". Es gelte, "die Spuren Jesu zu hinterlassen, damit Jugendliche diesen Spuren folgen können".
Online-Umfrage
Als "riesiges Ohr hinein ins Land" bezeichnete Prof. Paul Michael Zulehner die das Zukunftsforum begleitende Online-Umfrage, für die der Pastoraltheologe zuständig ist. In 16 offen gestellten Fragen zu den 4 Themenbereichen soll den großen gesellschaftlichen Herausforderungen nachgegangen werden. Wer sich beteiligen will, könne das ab sofort unter www.wodruecktderschuh.at.
Die Outdoor-Veranstaltung war gut gewählt, um Passanten des belebten Marktgebiets anzusprechen und zum Gespräch einzuladen. Diese konnten ihre Fragen und "Druckstellen" gleich direkt mit Kirchenvertretern besprechen oder schriftlich anhand von Umfragekarten eingeben.
Unter den zahlreichen Teilnehmern waren auch der Kärntner Bischof Alois Schwarz, der innerhalb der Bischofskonferenz für das ganze Laienapostolat zuständig ist und der steirische Weihbischof Franz Lackner. Mit ihnen kam aus beiden Diözesen eine größere Abordnung. Videoeinspielungen mit Statements aus ganz Österreich wechselten mit kreativ-kabarettistischen Einlagen der Gruppe "ImProzess" sowie musikalischen Inputs von "Sol latino" ab und gaben dem Kick-off nicht nur Schwung, sondern auch eine österreichweite Dimension.
Ein interreligiöses Segensgebet von Bischof Alois Schwarz, dem evangelischen Superintendenten Hansjörg Lein, dem syrisch-orthodoxen Chorepiskopus Emanuel Aydin und dem muslimischen Imam Senad Kusur bildete der Abschluss der Veranstaltung.
Quelle: Kathpress