Ein Jahr Franziskus
"Buona sera", "Guten Abend": Mit diesem schlichten Gruß wandte sich der neu gewählte Papst Franziskus vor genau einem Jahr, am Abend des 13. März 2013, von der Loggia des Petersdoms aus an die Welt. Zuvor hatten die Kardinäle Jorge Mario Bergoglio in einem kurzen Konklave im fünften Wahlgang zum Papst gewählt. Den damals 76-jährigen Erzbischof von Buenos Aires hatten vor der Wahl die wenigsten als Nachfolger des zurückgetretenen Papst Benedikt XVI. im Blick. Doch Franziskus gewann bereits mit seinem ersten bescheidenen und frommen Auftritt am Wahlabend die Herzen der Menschen. Und die Welle der Sympathie hält ungebrochen an.
DER PAPST AUS ARGENTINIEN
Schönborn: Papst ist "Mann des Evangeliums" |
"Papst Franziskus ist ein Mann des Evangeliums und der Entscheidung," so lautet die Kurzfassung von Kardinal Christoph Schönborn über den amtierenden Papst. Das erste Jahr seines Pontifikats habe durch die neue Art der Amtsführung gleichsam einen "Schock der Authentizität" ausgelöst und mit Blick auf anstehende Probleme "große Freiheit und Offenheit" ermöglicht. Für den Papst stehe bei der Kirchen- und Kurienreform die "Freude am Evangelium" an erster Stelle, so der Wiener Erzbischof bei einer Pressekonferenz am 11. März in Wien. Durch den "Verzicht auf höfische Traditionen" habe Papst Franziskus klare Zeichen eines veränderten Stils gesetzt. Es sei schon erstaunlich, was "normale Verhaltensweisen" bewirken könnten, so der Kardinal mit Bezug auf das berühmte "Buona sera" des neuen Papstes auf der Mitteloggia des Petersdoms und seinen einfachen Lebensstil. Das Leben im Gästehaus "Santa Marta" und sein einfacher Lebensstil ermöglichten dem Papst zudem "den direkten Kontakt" zu den Mitarbeitern genau so wie zu den gerade aus allen Weltteilen anwesenden Kardinälen, wie zuletzt beim Konsistorium, so Schönborn. Mit "Evangelii Gaudium" ("Freude des Evangeliums") habe der Papst die Programmschrift seiner beabsichtigten Reform der Kirche vorgelegt. "Es hat das Zweite Vatikanische Konzil im Hintergrund mit Blick auf heute", so Schönborn über das jüngste Apostolische Lehrschreiben. Dies zeige sich auch bei den ersten Schritten zur Kurienreform. Dabei bewähre sich die gute jesuitische Haltung, "lange zu beraten und dann klar zu entscheiden". Der erst kürzlich getroffenen Entscheidung zur Einrichtung einen neuen Kurienamtes für Wirtschaft und Administration sei ein sechsmonatige Phase der Erhebung und Beratung vorausgegangen. Eine Woche nachdem die Ergebnisse dem Papst vorgelegt worden seien, habe dieser "mutig und klar entschieden". Insgesamt verfüge Papst Franziskus über "einen wachen Blick auf organisatorische Fragen und Inspiration durch die Evangelien", so der Kardinal.
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Weitere Stimmen zum Papstwahl-Jahrestag |
Papst Franziskus stehe auf der Seite der Armen und ist "ein Papst der Caritas", sagte Caritas-Österreich-Präsident Michael Landau anlässlich des ersten Jahrestags der Wahl von Jorge Mario Bergoglio. Franziskus begeistere die Menschen "mit Barmherzigkeit und seinem Einsatz für Gerechtigkeit". Er sei "ganz offensichtlich nicht der nette, leicht weltfremde Pfarrer aus dem globalen Dorf", sondern "legt die Finger in die Wunden der Welt", freute sich Landau.
Als "Geschenk des Heiligen Geistes an unsere Kirche" hat die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Gerda Schaffelhofer, die Wahl von Papst Franziskus bezeichnet. Mit der Wahl sei "ein Ruck durch die Weltkirche gegangen". Franziskus stellt in den Augen Schaffelhofers für die Kirche "Salz und Pfeffer" dar: "Salz, das dafür sorgt, dass der schale Geschmack von gestern und vorgestern verschwindet; Pfeffer, wenn er mit unbeirrbarer Deutlichkeit das beim Namen nennt, was die Kirche heute braucht und für das sie heute stehen muss." Diese neue Würze tue der Kirche gut und es fänden wieder jene an der Kirche Geschmack, "die sich längst anderen Gewürzmischungen und esoterischen Düften zugewandt haben".
Innsbrucks Diözesanbischof Manfred Scheuer glaubt nicht, dass Papst Franziskus "moralische Prinzipien auflösen oder liberalisieren will". Es gehe ihm vielmehr um deren Stellenwert im Leben des Einzelnen, aber auch der Gemeinschaft. "Er ist nicht einer, der verurteilt. Er möchte begleiten und weiterführen", sagte Scheuer in einem Interview der "Tiroler Tageszeitung" über den vor einem Jahr gewählten Papst. Franziskus wolle sehen, wo Wunden, wo Heilungsbedarf und wo Versöhnung durch das Bußsakrament notwendig ist. "Ihm geht es um Barmherzigkeit, um Versöhnung noch viel mehr und letztendlich darum, dass Menschen ihren ureigenen Weg finden", so Scheuers Eindruck.
Für den Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz ist Papst Franziskus ein "herausragender Seelsorger und Menschenfreund, der mit seinen Worten und Taten Zuversicht und Zukunftshoffnung in die Welt bringt". Er sei beeindruckt davon mit welcher Entschlossenheit der Heilige Vater für mehr Solidarität, Nächstenliebe, Liebenswürdigkeit und Barmherzigkeit eintrete.
Franziskus hält der Kirche in Europa einen Spiegel vor, bewirkt einen Atmosphärenwechsel und hat dem Begriff "papsttreu" bereits eine neue Bedeutung verliehen: So haben die Spitzen der katholischen Orden in Österreich das erste Jahr des Pontifex aus Argentinien, der als Jesuit auch selbst ein Ordensmann ist, resümiert. Der Papst mache jeden Tag spannend, "man weiß nie, was ihm als nächstes einfällt", formulierte etwa Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs. Sie sei betroffen von der Sensibilität des Papstes für die Situation unserer Welt und die Möglichkeiten, aus dem Geist des Evangeliums darauf spontan zu reagieren, "obwohl es wahrscheinlich nicht spontan ist, sondern aus einem tiefen Verwurzeltsein in Gott kommt, das ihn für die jeweilige Situation derart frei macht".
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Das bisherige Pontifikat im Überblick |
2013
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HOFFNUNGSTRÄGER
Die Amtsführung Franziskus' ist geprägt von Volksnähe und weltweit beachteten Signalen, wie die Fußwaschung an einer muslimischen Strafgefangenen, seine Reise auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa oder die Fahrten im Kleinwagen durch brasilianische Armen- und Reichenviertel während des Weltjugendtags in Rio. Der Papst beflügelt durch seine Ausstrahlung, den eigenen Lebens- und Arbeitsstil, durch verständliche Botschaften und umfassende Reformpläne viele Hoffnungen in der Kirche. Er versteht es, ein Klima von Offenheit zu schaffen, auf die Menschen zuzugehen; er wirkt authentisch.
Franziskus wohnt nicht im Apostolischen Palast, sondern zusammen mit vielen Vatikangeistlichen im Gästehaus Santa Marta. Er lässt sich nicht vom Kurienapparat vereinnahmen, erledigt vieles selbst. Schon bald nach der Wahl berief er den sogenannten K8-Rat, ein Gremium aus acht Kardinälen, das ihn bei seinen Reformen unterstützen soll.
KIRCHE FÜR DIE ARMEN
Die nach dem Rücktritt Benedikt XVI. laut gewordenen Sorgen um das Nebeneinander zweier Päpste erwiesen sich als unbegründet: Der emeritierte Papst lebt zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan, widmet sich dem Gebet und einer umfangreichen Korrespondenz. Franziskus nutzt seinen Rat. Gemeinsam gaben sie die Enzyklika "Lumen fidei" heraus.
Ein Dreivierteljahr nach Amtsantritt erschien mit dem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" das "Regierungsprogramm" von Franziskus. Darin verlangt der Papst eine Neuausrichtung der Kirche auf allen Ebenen, mehr Kollegialität und Synodalität an der Kirchenspitze. Es geht ihm um eine Kirche für die Armen, die vor allem auf die Menschen am Rand zugeht; die Barmherzigkeit übt, ohne die Gerechtigkeit außer Acht zu lassen.Der neue Franziskus-Stil gefällt freilich nicht allen. Seine Messen seien zu wenig feierlich, seinen Predigten fehle theologischer Tiefgang, so ist zu hören. Manche halten seine Wirtschaftskritik für zu "links". Überhaupt sehe man zu viel Bergoglio und zu wenig Papst, heißt es.
PAPSTAMT BEDEUTET DIENST, NICHT MACHT
Den Jahrestag der Papstswahl am Donnerstag verbringt der Papst in Ariccia außerhalb Roms. Gemeinsam mit den Mitarbeitern der Kurie hört er sich dort die Fastenexerzitien-Vorträge des populären römischen Pfarrers Don Angelo De Donatis an.
Quelle: Kathpress/Johannes Schidelko