Zulehner: Euthanasie einfach aber falsch
Straffreiheit für aktive Euthanasie hätte in den Augen des Wiener Pastoraltheologen Paul Michael Zulehner eine "moralische Aushöhlung" zur Folge. Euthanasie sei eine "zwar einfache, jedoch falsche Lösung", legte der Theologe am Dienstag beim Franziskanischen Frühjahrssymposium im Vöcklabrucker Seminarhaus St. Klara dar. Die Tagung stand unter dem Titel "Leben und Sterben - zur Kultur des Sterbens heute".
Vor allem sei es die Angst der Sterbenden, die aktuell den Ruf nach Euthanasie laut werden lasse, so die Analyse Zulehners. Während diese Angst durch die "Entsorgungs-Mentalität" der Wohlstandsgesellschaft sowie auch durch das Skandalisieren des Sterbens seitens der Medizin geschürt werde, sei christliche Spiritualität ein "guter Weg" zu ihrer Bewältigung. "Wenn die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod stirbt", werde Euthanasie jedoch unweigerlich kommen, warnte der Pastoraltheologe.
Problematisch ist in seinen Augen auch, dass zunehmend jegliche Art des Leidens aus dem Leben hinausgedrängt werde. Unerträgliches Leid sei zu lindern, unvermeidbarer Schmerz jedoch "ein wichtiger Beitrag im Leben", wobei die Gesellschaft wieder "mehr leidensfähig" werden müsse. Zulehner: "Wenn wir einen anderen nicht mehr gut leiden können, dann können wir ihn auch nicht mehr lieben."
Wenn Umfragen darauf deuteten, dass etwa in Oberösterreich 16 Prozent "grundsätzlich für" und 52 Prozent "unter Umständen für" aktive Sterbehilfe seien, so gelte es darauf zu reagieren, betonte Zulehner. Dringend nötig sei der Ausbau der Palliative Care, auch in Forschung und Lehre, weiters mehr Anerkennung der professionellen Pflegekräfte, Unterstützung der Angehörigen zu Hause, Entlastung der Familie und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, sowie leistbare mobile Hilfsdienste und Altentagesstätten.
Spera: Sterben Zeit der Begleitung
Dass die Vorbereitungen auf das Sterben schon im Leben beginnen, erklärte Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums Wien, die über den jüdischen Ritenreichtum rund um das Lebensende referierte: Krankenbesuche seien für Juden eine "heilige Pflicht", Gebete für die Heilung des Kranken sowie eine reiche Begräbnis-, Trauer- und Totengedenkkultur zudem wichtige Stützen für Kranke, Sterbende und auch Angehörige.
Ähnlich wie im Christentum sei im Judentum die letzte Lebensphase eine Zeit der Begleitung, des Gesprächs und der Möglichkeit einer Lebensbilanz. Um Sterbenden Zeit zu geben, dürfe man deshalb im Judentum Todkranken ihren Zustand nicht verheimlichen, so Spera.
Dass Sterbekultur infolge der Erosion der Rituale in einer "glückbetonten Gesellschaft" verloren geht, machte die abschließende Podiumsdiskussion deutlich. Auch die familiäre Solidarität gehe zurück, weshalb Angehörige heute Sterben und Tod zunehmend nicht ansprechen und verdrängen. Authentisch gelebte Religionen seien beim Sterben jedoch vielmehr wirkliche Stützen statt nur "billige Vertröstungen", fasste das Seminarhaus St. Klara die Diskussion zusammen: Der gläubige Sterbende erinnere sich an die Zusage, dass das Leben einen Sinn hat und geborgen ist in Gott. Sinnvoll seien deshalb "mehr Verbindlichkeit statt Unverbindlichkeit" und "mehr praktizierte religiöse Rituale in einem gefestigten Glauben", hieß es.