"Und was sagt der Islam?"
Deutliche Kritik aus den Redaktionsräumen erntete in den vergangenen beiden Wochen die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) im Zusammenhang mit dem IS-Terror und in den Krieg ziehenden jungen muslimischen Österreichern. "profil"-Chefredakteur Christian Rainer tat dabei in einem Leitartikel am 25. August zunächst die Unterscheidung zwischen "islamischem" und "islamistischem" Terrorismus als rein semantische Debatte ab. Das Thema werde "mit Haarspaltereien, mit zu viel Differenzierung, mit überbordender Rücksichtnahme" behandelt, kritisierte Rainer unter dem Titel "Und was sagt der Islam?".
In diesen Tagen fehle, so Rainer, die Stimme von Muslimen, die sich lautstark von jedem Terroristen distanzieren, der sich auf den Koran beruft. "Wo sind denn die Religionsverbände im Westen und wo jene in mehrheitlich muslimischen Ländern, die ihren Glaubensbrüdern (und vielleicht sogar Glaubensschwestern) täglich eintrichtern, dass all dies nichts mit den Lehren des Propheten zu tun hat, ja diesen Lehren vielleicht sogar zuwiderläuft? Wo ist der Aufruf der entsprechenden Staatschefs, Monarchen, der religiösen Führer? Fehlt, wie so oft in der Vergangenheit", urteilte der "profil"-Chefredakteur.
In Europa bekomme man "nur die für den Westen mundgerecht gemachten Formulierungen" präsentiert, Medien und öffentliche Meinung in arabischen Ländern sähe anders aus, so Rainer weiters. Dazu verwies er auf die Ablehnung demokratischer Verhältnisse, von Menschenrechten, modernem Strafrecht und der Gleichberechtigung von Mann und Frau in vielen muslimisch dominierten Staaten, von denen einige weltweit muslimische Institutionen finanzierten. Rainer abschließend: "Das dürfte nicht unbedingt zur Verbreitung einer zivilisierten Ausprägung des Glaubens beitragen. Wundert es da, dass die Haltung zum bewaffneten Kampf und zum Terror im Namen des Islam so uneinheitlich ist, der Protest jener, die diesen Glauben teilen, bis zur Unhörbarkeit leise?"
"Versagen vor der Bedrohung"
Eine am 21. August veröffentlichte Stellungnahme der IGGiÖ - eine von mehreren in den vergangenen Tagen veröffentlichten Erklärungen der hiesigen islamischen Glaubensgemeinschaft zum IS-Terror -, in dem diese die Gräueltaten der IS verurteilte, erwähnte der "profil"-Chefredakteur nicht.
Diese sei "zwar ein Anfang, kommt aber doch reichlich spät", kommentierte dafür am 23. August Viktor Hermann in den "Salzburger Nachrichten". Die westliche Gesellschaften büßten jetzt für ihre Versäumnisse, schrieb er unter dem Titel "Versagen vor der Bedrohung". Der "wahre Strom" europäischer Muslime, die in den Krieg in Syrien und im Irak ziehen, zeige "auf furchtbare Weise das Scheitern der Integrationspolitik". Eine erhebliche Schuld dafür ortete Hermann beim "islamischen Establishment in Europa": "Die Religionslehrer, die Imame sind offenbar daran gescheitert, den Schäfchen ihrer Herden Werte wie Toleranz und Liberalität zu vermitteln."
Der "Sturm der Entrüstung" unter islamischen Religionsführern in aller Welt über den "Missbrauch von Religion für kriminelle Machtpolitik" müsse noch erheblich lauter werden, forderte auch der Publizist Hubert Feichtlbauer in der "Furche" vom 28. August. Den aus westlichen Staaten in den Krieg Ziehenden sei eines gemeinsam: "Sie sind meist keineswegs tiefgläubige Muslime, 'praktizieren' nur lau, fühlen sich aber von Koran-Stellen, die zur Hatz auf 'Ungläubige' aufrufen, angesprochen.
Diesem "Skandal der Gotteskrieger" gelte es entgegenzutreten. Für Feichtlbauer eine Aufgabe für Vertreter aller Religionen: "Muslimische, aber auch christliche, jüdische und andere Religionsführer müssen ihren Anhängern drastisch klar machen: Kriegshetze im Namen Gottes ist auch ein religiöses Verbrechen!"
IGGiÖ gefordert
Berichte über - mutmaßlich antimuslimisch motivierte -Tätlichkeiten gegen Frauen mit Kopftuch in Wien nahm "Standard"-Journalistin Petra Stuiber 3. September zum Anlass für einen Kommentar unter dem Titel "Appell zur Vernunft". "Nicht unter jedem Kopftuch verbirgt sich eine Selbstmordattentäterin, nicht hinter jedem langen Kleid eine Demokratieverweigererin."
Österreichs Muslimen sei aber auch "ein gerüttelt Maß an Eigenfehlern" in der Debatte um das Verhältnis von Gewalt und Islam "nicht abzusprechen", so Stuiber weiters. Man argumentiert nicht, man duckt sich weg, man agitiert höchstens in sozialen Netzwerken - und da oft genauso undifferenziert und schlicht dumm, wie es einem nun selbst entgegenschlägt."
Die "gemäßigten Muslime" hierzulande sollten sich zusammenzutun und den Dialog mit anderen Glaubensgemeinschaften suchen, rief die "Standard"-Journalistin auf. Zudem müsse es ein entschiedeneres, akkordiertes Auftreten gegen muslimische Hassprediger geben sowie ein öffentlich unterbreitetes Angebot an das Innenministerium, gemeinsam gegen Radikalisierung vorzugehen und "Rückkehrer" zu betreuen.
In die Pflicht nahm Stuiber hier insbesondere IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac. Die von Sanac wiederholt vorgebrachte Kernaussage "Was kann man denn tun?" - Stuiber nahm hier Bezug auf ein "profil"-Interview Sanacs am 25. August - werde die Probleme nicht lösen. "Selbst wenn die IGGiÖ nicht von allen als Vertretung anerkannt wird, hat sie doch eine gewichtige Stimme, die sie auch erheben sollte", betonte die Journalistin.
Quelle: Kathpress-Info-Dienst