Franziskus predigt gegen den Krieg
Der Besuch war kurz, aber die Botschaft klar und deutlich. Papst Franziskus hat sein Gedenken für die Toten des Ersten Weltkriegs (1914-1918) am italienischen Gefallenen-Denkmal Fogliano Redipuglia mit einem energischen Appell für den Frieden verbunden. Dabei sparte er am Samstag auch nicht mit der Benennung von Schuldigen, die bis heute vom "Wahnsinn des Krieges" profitierten. Der sei möglich, "weil es auch heute noch hinter den Kulissen Interessen, geopolitische Pläne, Geldgier und Machthunger gibt, und es gibt die Waffenindustrie, die anscheinend so wichtig ist!" Ihre blutige Spur reiche von 1914 bis in unsere Tage.
Am Morgen war Franziskus aus dem sonnigen Rom in den strömenden Regen Nordost-Italiens geflogen. Fast eine Million Soldaten Italiens und Österreich-Ungarns waren hier in der Region am Fluss Isonzo und bis hinauf ins Hochgebirge zwischen 1915 und 1918 gefallen. Auch drei Vorfahren des italienischstämmigen Papstes ließen dabei ihr Leben. Deshalb komme er auch als persönlich Betroffener, hatte der Papst zuvor offenbart. Umso stärker wirkte die Geste, als Franziskus bei seiner ersten Station ganz allein und langsam zwischen den Gräberreihen des nahegelegenen österreichisch-ungarischen Soldatenfriedhofs entlangschritt, die Namen auf den Steinen las, zuweilen davor stehenblieb und sich bekreuzigte. Lange verharrte er vor einem der drei Massengräber und betete. Gut möglich, dass einige der über 14.000 Toten auf diesem Friedhof einst gegen seine Großonkel im Gefecht standen.
Einer von ihnen, der Zugführer Adolfo Bergoglio, zählt zu den mehr als 100.000 Gefallenen, die im "Sacrario di Redipuglia" bestattet sind. Die monumentale Terrassenanlage, 1938 von Benito Mussolini eingeweiht, gilt als Paradebeispiel faschistischer Heldenarchitektur. Wie ein großer Heerzug zieht sie sich einen Hügel hinauf, an dem damals Tausende verbluteten. Davor stehen die Grabmäler der Generäle, davor dasjenige des Herzogs von Aosta, einst Oberbefehlshaber der Dritten Armee. An diesem Tag allerdings stellte sich der Papst an die Spitze der Gefallenen, um bei seiner Messe am Fuß des Sacrario ihren Tod anzuklagen und den Krieg zu verdammen.
"Der Krieg ist ein Wahnsinn", sagte er vor vielen Zehntausend Teilnehmern, die der Dauerregen nicht abgeschreckt hatte. "Während Gott seine Schöpfung weiterführt und wir Menschen berufen sind, an seinem Werk mitzuarbeiten, schafft der Krieg Zerstörung. Er zerstört auch das Schönste, was Gott erschaffen hat: den Menschen." Als Grundübel brandmarkte der Papst jene Gleichgültigkeit, die schon bei Kain in der Bibel vorkomme und in der Frage endet: "Was geht mich das an?" Für Franziskus ist sie die Frage der Geschäftemacher, die Millionen am Krieg verdienen und darüber das Weinen verlernen. Er bitte alle Menschen, über die Opfer damals und heute zu weinen, schloss der Papst seine Predigt. "Dies ist die Stunde der Tränen". Anschließend lag über der grauen Landschaft minutenlanges Schweigen.
So blieb wenig Raum für die Jubelszenen, die Franziskus' Reisen immer begleiten. Anders als zunächst angekündigt, verzichtete der Papst auf eine Rundfahrt im Papamobil. Bei seiner Predigt flocht er anders als üblich auch keine freien Redepassagen ein, die seine Auftritte lebhaft machen und das Publikum oft mit lautem Applaus begleitet. Offenbar ging es Franziskus im 100. Kriegsgedenkjahr vor allem um ruhige Trauer und den ernsten Appell.
Zum Ende der Zeremonie überreichte er den auch aus Österreich, Slowenien und Kroatien angereisten Bischöfen und Militärgeistlichen jeweils eine Öllampe. Sie soll bei künftigen Gedenkfeiern entzündet werden und das "Licht des Heiligen Franziskus" verbreiten. Redegewaltig wie kaum ein anderer Heiliger hat der päpstliche Namenspatron im Mittelalter gegen die Zwietracht unter den Menschen und die Vergiftung durch die Macht gepredigt.
Auch der Papst nahm etwas mit aus Redipuglia: Der italienische Stabschef, Admiral Luigi Binelli, übergab ihm das militärische Personalblatt seines Großvaters Giovanni Bergoglio, der ebenfalls in der Gegend eingesetzt war. Wäre er gefallen, hätte dieser Tag anders ausgesehen.
Quelle: kathpress