Sterbehilfe: Ethik-Experten für Perspektivenwechsel
Die Bioethikkommission befasst sich am Montagnachmittag in einer öffentlichen Sitzung mit Fragen zum "Lebensende". Ethikexperten, die dabei das Wort ergreifen werden, haben am Montag im Vorfeld der Sitzung im Rahmen eines Pressegesprächs einen Perspektivenwechsel in der aktuellen Sterbehilfedebatte eingefordert. Es sollte primär nicht mehr darum gehen, welche Form von "Sterbehilfe" verboten gehört, sondern was getan werden muss, um Patienten bestmöglich medizinisch und menschlich zu begleiten und ab einem gewissen Zeitpunkt das Sterben zuzulassen, so der Wiener Internist Prof. Andreas Valentin. Die Gesellschaft sei dazu verpflichtet, ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen friedvoll und möglichst schmerzlos sterben könnten.
Eckpfeiler einer solchen Begleitung seien eine qualitativ hochwertige Palliativmedizin und menschlich-spirituelle Unterstützungsangebote, so Valentin. Er ist Mitglied der Bioethikkommission und war maßgeblich an der Erarbeitung eines Leitfadens zur Sterbehilfedebatte für den Europarat im Frühjahr 2014 verantwortlich.
Derzeit herrsche unter den Ärzten große Unsicherheit, was am Lebensende erlaubt sei und was nicht, so Valentin. Hier brauche es sowohl mehr Rechtssicherheit wie auch mehr Information.
Ausbau der Palliativmedizin nötig
Der beste Schutz gegen den Wunsch auf Tötung sei die streng reglementierte Freigabe der ärztlichen Beihilfe zum Suizid. Das betonte der Schweizer Palliativmediziner Gian Domenico Borasio. Er stützte seine Behauptung auf internationale Studien und Vergleiche. Die Entwicklung in den Niederlanden und Belgien mit sehr laschen Regeln und der erlaubten "Tötung auf Verlangen" sei höchst bedenklich. Die Tötungsraten würden immer noch stark steigen. Hingegen wolle er das Beispiel des US-Bundesstaates Oregon positiv hervorheben. Hier sei unter sehr strengen Regeln der "ärztlich assistierte Suizid" erlaubt, der in wenigen Fällen auch angewendet werde. Rund ein Drittel jener Patienten, die dann schließlich vom Arzt ein zum Tod führendes Mittel erhalten, würden dieses aber nicht nehmen.
Die Verfügbarkeit von ärztlich durchgeführter Tötung auf Verlangen senke die psychologische Hemmschwelle für die Bitte um Lebensverkürzung erheblich, so Borasios Schlussfolgerung. Er trete deshalb für die weiterhin gültige Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen ein.
Die wirklichen Gefahren für die tatsächliche Selbstbestimmung am Lebensende würden jedenfalls in der unzureichenden pflegerischen und palliativen Versorgung sowie in der Gefahr einer Übertherapie liegen, so Borasio. Palliativmedizin müsse endlich flächendeckend in die Basisausbildung aller Mediziner aufgenommen werden.
Suizidhilfe dürfe in der Gesellschaft keine übliche Dienstleistung werden, sagte Prof. Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Doch auch sie sprach von "tragischen Ausnahmen in Situationen unerträglichen Leidens", wo die Gesellschaft die Selbstbestimmung der Patienten achten sollte.
Verfassungsrechtliche Absicherung strittig
Bis Ende des Jahres will die im Bundeskanzleramt angesiedelte Bioethikkommission ein Papier erarbeiten, das zuerst einmal den Status quo erhebt, wie und wo in Österreich gestorben wird. Weiters soll das Dokument auch ethische Forderungen hinsichtlich eines Sterbens in Würde sowie daraus resultierende konkrete Empfehlungen enthalten. Prof. Christiane Druml, die Vorsitzende der Bioethikkommission, sprach sich für eine offene Diskussion aus, mit der auch die in den kommenden Monaten parallel stattfinden Enquete des Parlaments zur gleichen Thematik begleiten werden soll.
Einig waren sich alle Experten, dass der Begriff "Sterbehilfe" überholt, viel zu ungenau und für die aktuelle Diskussion um das Grundrecht auf ein Sterben in Würde wenig hilfreich sei. Die in Österreich diskutierte Forderung nach einer Verankerung des Sterbehilfe-Verbots in der Verfassung bewerteten die Teilnehmer des Pressegesprächs ebenfalls sehr skeptisch. Für die Praxis sei eine solche Verankerung jedenfalls wenig hilfreich, so beispielsweise Prof. Valentin.
Erst am Sonntag hatte sich die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) für eine Verankerung des geltenden Verbots der aktiven Sterbehilfe in der Verfassung ausgesprochen. Gleichzeitig sollte ein entsprechender Passus aber auch das "Grundrecht auf ein Sterben in Würde" enthalten, hielt die KAÖ fest. Das wäre eine wichtige Maßnahme zur Absicherung der Menschenwürde und der Rechte unheilbar Kranker und Sterbender.
Quelle: Kathpress