Sterbehilfe bringt Patienten in Bedrängnis
Strikt gegen eine Verankerung von Tötung oder Hilfe zur Selbsttötung von Leidenden als individuelles Recht hat sich das kirchliche Bioethikinstitut IMABE ausgesprochen. Ein derartiges Vorgehen könne nicht die Antwort sein "auf einen therapeutischen Übereifer, der nicht Leben, sondern Sterben verlängert", betonte die Geschäftsführerin der in Wien ansässigen Einrichtung, Susanne Kummer, am Dienstag gegenüber "Kathpress". Das "beunruhigende" Beispiel der aktuellen Entwicklung im US-Bundesstaat Oregon zeige laut der Ethikerin, dass es "fatal" wäre, würde Selbstmord "zu einem logischen Akt der Selbstbestimmung umdefiniert".
Völlig zu Unrecht werde Oregon - als einer der fünf US-Bundesstaaten, in denen Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen - von Befürwortern als Positivbeispiel einer liberalen Regelung angeführt, betonte Kummer. Seit Einführung des Gesetzes 1997 sei das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten klar untergraben worden, "auch wenn Suizid-Befürworter das Gegenteil beteuern". Das Gesetz schütze "vielleicht die Ärzte, sicher aber nicht die vulnerable Gruppe der Patienten und seelisch Verzweifelten. Und es schafft neue Graubereiche statt Transparenz", so die IMABE-Geschäftsführerin.
Schmerz nicht im Vordergrund
So habe sich in Oregon die Zahl der Patienten, die sich seit 1998 mit ärztlicher Unterstützung das Leben nahmen, laut dem aktuellen Bericht zum "Death with Dignity Act" (Gesetz für ein Sterben in Würde) bis 2013 verfünffacht (16 auf 75), wobei zwei von 1.000 Todesfällen in dem US-Bundesstaat mit seinen 3,9 Millionen Einwohnern bereits auf ärztlich assistierten Suizid zurückgingen. Nicht etwa unerträgliche Schmerzen würden die Betroffenen als Hauptgrund für den Wunsch nach Suizid angeben, sondern zu 93 Prozent Angst vor einem "Verlust von Autonomie" und damit Sorge, Last für andere zu werden; 89 Prozent sagten, sie seien "weniger in der Lage, an Aktivitäten teilzuhaben, die dem Leben Freude geben", 73 Prozent fürchteten einen "Verlust an Würde".
Dass sich seither auch die Haltung von Oregons Ärzten verändert habe, zeige der Fall von zwei Krebspatienten, die nur über die staatliche Armen-Krankenversicherung "Medicaid" verfügten: Per amtlichem Schreiben sei ihnen laut Berichten die zu teure Chemotherapie verweigert worden, während man ihnen gleichzeitig anbot, assistierten Suizid als Alternative zu bezahlen. Beide wollten aber leben und behandelt werden. Erst als der Fall von Randy Stroup im Februar 2009 an die Öffentlichkeit kam - die britische Zeitung "The Telegraph" titelte damals "Vom Recht zum Sterben zur Pflicht zum Sterben" - wurde ihm eine Chemotherapie zugestanden.
Wie Kummer berichtete, würden in Oregon in rund 17 Prozent der Fälle die Ärzte entgegen der gesetzlichen Kriterien auch bei chronischen Erkrankungen ohne letale Prognose Bewilligungen für eine Beihilfe zur Selbsttötung ausstellen.
Problematische Entwicklungen
Als ähnlich besorgniserregend bezeichnete die Geschäftsführerin des Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik jedoch auch Entwicklungen in den anderen Ländern mit legalisierter Sterbehilfe, darunter die Schweiz: Die Zahl der Menschen, die über Organisationen wie "Exit" oder "Dignitas" Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen, sei in den letzten zehn Jahren kontinuierlich angestiegen, wobei 508 Schweizer und 172 Ausländer diesen Dienst im Jahr 2012 in Anspruch nahmen.
In den Niederlanden, wo Hilfe zur Selbsttötung heute meist von Hausärzten ausgeführt werde, sei die Zahl assistierte Suizide und der Fälle von "Tötung auf Verlangen" um 15 Prozent gegenüber 2012 gestiegen und betrug zuletzt knapp 5.000 Fälle. Kummer: "Das sind 13 Todesfälle pro Tag". 23 Prozent aller Euthanasie-Todesfälle würden jedoch laut einer im Fachjournal Lancet publizierten Studie gar nicht gemeldet, obwohl das niederländische Gesetz dies vorschreibt.
Ähnlich seien 2012 in Belgien 1.816 Personen durch Beihilfe zur Selbsttötung oder Euthanasie gestorben, wobei zuletzt der Fall eines 52-jährigen Sexualstraftäters Aufsehen erregte, dem Suizidbeihilfe wegen "unerträglicher psychischer Qualen" gewährt wurde.
Widerstand gegen Liberalisierung
Geschlossen gegen den ärztlich assistierten Suizid haben sich indes die Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin in Deutschland sowie die deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin in der Vorwoche ausgesprochen. Eine solche Beihilfe sei keine ärztliche Aufgabe und eine Liberalisierung des ärztlich assistierten Suizids keine adäquate Antwort auf Leiden, erklärten sie. Eine entschiedene Ablehnung der Tötung auf Verlangen kam auch seitens der österreichischen Palliativgesellschaft, sowie vom Dachverband Hospiz, der Caritas, dem Roten Kreuz und der Vinzenzgruppe. In ihrer gemeinsamen, an die Enquete "Sterben in Würde" gerichteten Stellungnahme forderten sie, stattdessen die Palliativbetreuung flächendeckend auszubauen.
Menschliche Medizin zeige sich in der "professionellen Kompetenz, Therapien zurückzufahren, wo keine Aussicht auf Heilung besteht", erklärte Kummer. Ebenso gehe es darum, Therapieziele zum Wohle des Patienten ändern zu können, die Schmerzlinderung zu verbessern, dem Sterbenden als Mitmenschen beizustehen und ihn nicht alleine zu lassen. Dass der Weiterbildungsbedarf für Ärzte und Pfleger in der Begleitung und Behandlung Schwerkranker nun deutlich werde, bezeichnete Kummer als positiven Aspekt der aktuellen Sterbehilfe-Debatte in Österreich und Deutschland - ebenso wie die öffentliche Auseinandersetzung mit Tabus wie Krankheit, Sterben und Tod.
Quelle: kathpress