Trauerpastoral als kirchliche Kernkompetenz
Mit der Gesellschaft verändern sich Formen der Trauer und der Umgang mit dem Tod. Davon unmittelbar betroffen ist auch die kirchliche Trauerpastoral und Begräbniskultur. Für den Wiener Pastoraltheologen Johann Pock ergeben sich daraus neue Anforderungen an die kirchliche Seelsorge im Trauerfall, die zu den "Kernkompetenzen der Kirche" gehört, so Pock in einem Gespräch mit "Kathpress" zu den Festtagen Allerheiligen und Allerseelen. Es gelte liturgisch-rituelle und seelsorgliche Formen und Mittel zu finden, "um dem Auftrag, Menschen in schwierigen Zeiten Trost zu spenden, gerecht werden zu können".
Marker einer "postmodernen Trauerkultur" seien, so der Theologe, eine "extreme Individualisierung und Pluralisierung, verbunden mit dem Zwang, fast alles selbst entscheiden zu können und entscheiden zu müssen". Diese Haltung habe auch Auswirkungen auf das kirchliche Angebot im Fall der Trauer, denn "Institutionen und ihre Traditionen werden nicht mehr als selbstverständlich und als identitätsstiftend beziehungsweise identitätsstabilisierend erfahren". Hinzu komme eine "starke Mobilität" und mit ihr das Fehlen der Zugehörigkeit zu einem "stabilen Sozialgefüge eines Dorfes oder einer (Pfarr-)Gemeinschaft".
Zugleich hätten sich Bedingungen und das soziale Erleben von Sterben, Tod und Trauer "massiv verändert". Die verlängerte Lebensweise gehe damit einher, dass heute durchschnittlich nur mehr alle 15 bis 20 Jahre ein Todesfall im engeren familiären Umfeld eintritt. "Damit verschwindet der Tod aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich", so Pock.
Der medizinische Fortschritt habe den Tod außerdem von einer "Erlösung aus dem Jammertal" hin zu einem "Schrecken, der im normalen Leben nicht gegenwärtig ist" gewandelt. Die Verdrängung des Todes aus den Häusern der Menschen sei darüber hinaus durch die Verlagerung des Sterbeortes aus dem häuslichen Umfeld in die Krankenhäuser und Altersheime verstärkt worden.
Einen klaren Bruch ortet der Pastoraltheologe auch mit traditionellen Trauerriten und Trauergebräuchen, "was zu Unsicherheiten im Trauerfall führt". Damit einhergehe eine Privatisierung und Individualisierung von Tod, Sterben und Trauer. Gleichzeit nehme aber die Bereitschaft zu, sich persönlich und über Institutionen, etwa die Hospizbewegung und andere Initiativgruppen, bei der Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden zu engagieren. "Schließlich wäre noch eigens zu bedenken, dass es vermehrt Menschen mit anderen Konfessionen und Religionen in unserem Land gibt", merkte Pock an. "Die Landschaft der Trauer- und Begräbnisriten wird damit bunter." Dazu kämen auch die immer breitere Palette von Bestattungsformen und das wachsende Arbeitsfeld von Bestattern.
Kirchliche Kernkompetenz wieder stärken
Diese Veränderungen zeigten deutlich, dass die Kirche ihr "jahrhundertelanges Monopol auf die Begräbnisse verloren" habe - obwohl sie weiterhin erste Ansprechpartnerin und Kompetenz für Trauerarbeit sei, so Pock. Konkrete Chancen, hier gegenzusteuern, sieht der Pastoraltheologe etwa in den kirchlichen Ritualen an den Lebensübergängen, denn selbst kirchenferne Menschen würden in Krisensituationen verstärkt nach Ritualen und Amtshandlungen suchen. Der Ausschluss von Ausgetretenen oder Nichtchristen wäre vor diesem Hintergrund aus "pastoralen und theologischen Gründen unklug".
Keine "zerstückelte" Begleitung
Im Mittelpunkt der Trauerpastoral müsse die Begleitung stehen. Erst ein solcher umfassender Blick auf die Notwendigkeit, Menschen umfassend in ihrer Trauer und Abschiednahme zu begleiten, könne die aktuelle "sektorisierte Pastoral", die sich in Altenpastoral, Krankenhausseelsorge, Hospizarbeit etc. aufsplittet, neu zusammenfügen. Pock: "Wenn diese einzelnen pastoralen Orte nicht zusammenarbeiten, wird eine große Chance für die Begleitung vertan." Denn Krankenhausseelsorger seien überfordert, wenn sie auch die Nachbetreuung und Begleitung von Angehörigen übernehmen müssten.
Zugleich votiert Pock für die Förderung einer "christlichen Erinnerungskultur": "Das Anbieten von und das Einladen zu Gottesdiensten an Jahrestagen, das Einbeziehen des Totengedächtnisses in die Gottesdienste, in die Publikationsorgane, in das Gemeindeleben ist nicht nur ein Dienst an den Verstorbenen, sondern eine Arbeit an einer positiven Trauerkultur."