Wien wächst und will auch Religionen Platz geben
Wien befindet sich derzeit in einer Phase größeren Wachstums, die Stadtpolitik möchte dabei auch den verschiedenen Religionsgemeinschaften Raum zur Entfaltung des Glaubenslebens und der Gemeinschaftsbildung geben. Das hat der Wiener Planungsdirektor Thomas Madreiter am Freitagabend bei einer Diskussion im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" in der Wiener Deutschordenskirche zum Thema "Religion findet Stadt" unterstrichen. Der Anspruch, für alle Gruppen offen zu sein, konkretisiere sich etwa in der Seestadt Aspern als Wiens größtem Stadtentwicklungsgebiet, wo in Kooperation mit der Erzdiözese Wien ein "Campus der Religionen" errichtet wird. Dort sollen neben einer christlichen Kirche auch Gebetshäuser anderer Religionsgemeinschaften entstehen.
Im Vorjahr sei der neue Stadtentwicklungsplan von der Vizebürgermeisterin mit griechisch-orthodoxen Wurzeln, Maria Vassilakou, und von Stadtrat Omar Al-Rawi, einem aus dem Irak stammenden SP-Stadtrat gemeinsam präsentiert worden - für Madreiter signifikant für die zunehmende Vielfalt der Stadtbevölkerung. Eine Mehrheit von 90 Prozent Katholiken wie zur Zeit der Gegenreformation werde es nicht mehr geben, darauf habe sich auch die Stadtverwaltung einzustellen, so der 47-jährige Raumplaner.
Angesichts dennoch - und auch im politischen Diskurs - beobachtbarer Fremdenfeindlichkeit plädierte er für gegenseitigen Respekt. Integration dürfe nicht Uniformität zum Ziel haben und erfordere Gelassenheit und Geduld. Madreiter erinnerte daran, dass es zur Zeit, als in Wien die Ringstraße gebaut wurde, Probleme bei der Integration der damals im Bau beschäftigten "Ziegelböhmen" gegeben habe, die längst beigelegt seien. Allen Bevölkerungsgruppen Lebenschancen zu bieten sei auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll.
Auch die evangelische Theologin em. Prof. Susanne Heine erwähnte die religiös plurale Vergangenheit Österreichs, das schon 1912, zu Zeiten der Habsburgermonarchie ein damals fortschrittliches Islamgesetz verabschiedete. Wenn heute manche Probleme mit sichtbarer muslimischer Präsenz im Stadtbild hätten, sei daran zu erinnern, dass auch die evangelischen Christen nach dem Toleranzpatent Josephs II. ihren Glauben zwar frei praktizieren durften, dies aber in Bethäusern, die äußerlich nicht wie katholische Kirchen aussehen durften. Als 1979 die erste Moschee Österreichs auf dem Wiener Hubertusdamm eröffnet wurde, geschah dies im Beisein von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Bundeskanzler Bruno Kreisky und dem damaligen Bürgermeister Leopold Gratz, so Heine. So viel sichtbare Wertschätzung durch die Politik wäre auch heute wünschenswert.
Dass man im städtischen Bereich die Entstehung von Gettos zu verhindern trachte, sei richtig, so Heine; aber religiös-kulturelle Identität müsse lebbar sein. Die Theologin sprach sich dafür aus, dass die Religionsgemeinschaften Räume für interreligiöse Begegnung zur Verfügung stellen sollten. Wichtig seien aber auch nicht einer bestimmten Glaubensüberzeugung zuzuordnende "neutrale" Räume wie jene auf dem Flughafen Wien-Schwechat oder im Bereich des neuen Wiener Hauptbahnhofs.
Wunsch nach Moschee in der Wiener City
Der durch seine Brückenschläge zur Wiener Israelitischen Kultusgemeinde bekannte islamische Seelsorger Ramazan Demir bedauerte das Fehlen einer Moschee im ersten Wiener Bezirk und regte Unterstützung der Stadtgemeinde bei deren Einrichtung an. Auch an Schulen sollte es "Räume der Stille" geben, wo muslimische Schüler ihrer Pflicht zum Gebet nachkommen könnten. Moscheen müssten zwar keine Minarette haben, äußerliche Erkennbarkeit als islamisches Gotteshaus wäre aber z.B. auch für Touristen hilfreich, sagte Demir.
Von der Entstehung des ersten islamisch-alevitischen Gebetshauses in Wien-Floridsdorf berichtete der Pressesprecher dieser seit 2013 offiziell anerkannten Glaubensgemeinschaft in Österreich, Riza Sari. Im Oktober soll das - minarettlose - Haus den rund 20.000 Angehörigen zur Verfügung stehen. Aleviten als lange Zeit im Untergrund lebende Glaubensgemeinschaft könnten aber überall beten, auch in Kirchen, denn "Gott hört und versteht uns überall". Sari betonte die ökumenische Offenheit der Aleviten und meinte, interreligiöse Verständigung gelinge dann am besten, "wenn sich die Politik nicht einmischt".