An Mindestsicherung "darf nicht gerüttelt werden"
"Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist das letzte Netz im österreichischen Sozialstaat. Daran darf nicht gerüttelt werden!" Mit dieser Forderung reagierte Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter am Dienstag auf die tags zuvor innerhalb der Regierung ausgebrochene Debatte über den möglichen Missbrauch der Mindestsicherung.
ÖVP-Chef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hatte am Montag dazu betont, es gehe nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, der etwas brauche. Aber man solle schon darstellen, wer etwas nicht brauche. Sozialminister Rudolf Hundstorfer bezeichnete demgegenüber die Sorge des Koalitionspartners als unbegründet, dass Tausende in der "sozialen Hängematte" liegen. "Im Vergleich zur früheren Sozialhilfe ist die Mindestsicherung wesentlich missbrauchssicherer", so Hundstorfer.
Die Caritas verwies in ihrer Stellungnahme am Dienstag auf die Statistik Austria, wonach 19 Prozent der Menschen in Österreich "armuts- oder ausgrenzungsgefährdet" seien. Das bedeute für die Betroffenen Mangel an wesentlichen Dingen des täglichen Bedarfs wie Waschmaschine, Heizmaterial im Winter oder Internetzugang. "Da sollte an einer so wesentlichen Innovation wie der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht sinnlos herumdiskutiert werden", ärgerte sich Generalsekretär Wachter.
Dem Sozialminister gab die Caritas in Bezug auf das funktionierende Kontrollsystem Recht: "Der Spielraum für einen missbräuchlichen Bezug der Mindestsicherung wird von den befragten Landesverwaltungen und Sozialbehörden durchgängig als sehr gering angesehen. Die Anzahl der Fälle von missbräuchlichem Bezug wird von allen Befragten zwischen 0 und 5 Prozent eingeschätzt", so Wachter. Es sei "fahrlässig", jetzt "aus dem Nichts heraus über Missbrauch zu diskutieren". Das bringt nur Bedürftige zu Unrecht in Misskredit.
Sorge über Kinderarmut in Österreich
Als "besorgniserregend" bezeichnete Wachter die aktuellen Zahlen zur Kinderarmut in Österreich. Dies habe dramatische Folgen für die Bildungschancen. Nachhilfe etwa sei für viele nicht leistbar. Ein Langzeitproblem in Österreich sei auch die "vererbte" Armut und Bildungsferne. Armutsgefährdete Kinder besuchen deutlich öfter eine Hauptschule, erinnerte Wachter. "Hier müssen wir ansetzen, und kein Kind auf dem Bildungsweg zurücklassen."
"Der Sozialstaat wirkt", hielt der Caritas-Vertreter fest. "Ohne ihn wäre die Anzahl der armutsgefährdeten oder manifest armen Menschen in Österreich deutlich höher." Gerade im Kampf gegen Kinderarmut spiele die Mindestsicherung eine wichtige Rolle, sie "muss weiter entwickelt und verbessert werden", forderte der Caritas-Generalsekretär eine stärkere Berücksichtigung von Kindern und Alleinerziehenden. "Wenn man dann auch noch bedenkt, dass die Aufwendungen für die Mindestsicherung gerade einmal 0,7 Prozent der Sozialausgaben ausmachen und der weitaus größte Teil auf Alter, Gesundheit und Familie entfallen, dann kann wohl niemand ernsthaft dieses letzte soziale Netz in Frage stellen", sagte Wachter.