Heimatvertriebene: Solidarität mit Flüchtlingen
Die Trauer um die verlorene und die Dankbarkeit für die neue Heimat soll gerade Heimatvertriebene offen und solidarisch für die aktuelle Not von Flüchtlingen machen. Das betonte der Heiligenkreuzer Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck beim Festgottesdienst der Gottscheer Landsmannschaft am Sonntag in Klagenfurt. Bei der Wallfahrt am Ende der 50. Gottscheer Kulturwoche zur Schutzmantelmadonna von Krastowitz erhielt die dortige Gedenkstätte eine Blutreliquie des heiligen Johannes Paul II.
Bei der Festmesse, die sowohl auf Deutsch als auch in der aus dem Mittelhochdeutsch herrührenden Gottscheer Sprache gefeiert wurde, erinnerte Henckel-Donnersmarck, der als Kind die Vertreibung aus Schlesien selbst erlebt hatte, auf die innere Verbindung von Kult und Kultur. "Wenn Kultur mit Kult ihr innerstes Zentrum verliert, wird sie belanglos. Genauso braucht Kult die Verbindung mit der sie umgebenden Kultur, um lebendig zu bleiben." Es sei gut, in der alten Sprache weiterhin beten zu können, bleibend sei jedoch der Auftrag zur Glaubensweitergabe, die heute angesichts einer "einladenden Gottlosigkeit" herausgefordert sei.
Höhepunkt der Wallfahrt 70 Jahre nach der Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Einsetzung einer Blutreliquie von Johannes Paul II. in der St.-Ulrichs-Kirche beim Klagenfurter Schloss Krastowitz. Die Initiative dafür kam vom Wiener Militärerzdekan Harald Tripp. In einem Schreiben des Krakauer Erzbischofs Kardinal Stanislaw Dziwisz an den Bischofsvikar der Militärdiözese, wurden die Echtheit der Reliquie und die Verbundenheit mit den Gottscheern betont. Der ehemalige Papst-Sekretär wies darauf hin, dass es vom Heiligen bislang nur Blutreliquien gebe, weil der Sarg von Johannes Paul II. zur Entnahme von Reliquien "ex ossibus" ("aus den Gebeinen") noch nicht geöffnet sei.
Johannes Paul II. sei es gelungen, Grenzen in Europa zu überwinden und Versöhnung zwischen den Völker zu stiften. Dem Wirken des polnischen Papstes verdankten letztlich auch die Gottscheer die Möglichkeit, wieder ihre alte Heimat im heutigen Slowenien ungehindert besuchen zu dürfen, erläuterte Tripp gegenüber "Kathpress". Mit der Einsetzung der Reliquie kommt auch die Innengestaltung der Kirche zum Abschluss, wo im letzten Jahr Altar und Ambo fertiggestellt wurden. Die Gestaltung des Reliquiars und der neuen liturgischen Orte in der Kirche lag in den Händen von Guido Kapsch.
Der Wallfahrt vorgelagert war eine Kulturwoche, die mit einer zweitägigen Fahrt in die ursprüngliche Heimat im heutigen Slowenien rund 60 Kilometer südlich von Ljubljana/Laibach direkt an der kroatischen Grenze begann. Ein kleines Jubiläum feiert heuer auch die 1955 gegründete "Gottscheer Zeitung". Seit 60 Jahren ist sie für viele zum geistigen Heimatersatz geworden, die monatlich an Bezieher in 16 Staaten der Welt versendet wird.
Gottschee/Kocevje bezeichnet eine Stadt und das gleichnamige Gebiet einer ehemals deutschen Sprachinsel innerhalb Sloweniens. Das einstige Gottscheerland wurde ab 1330 von Siedlern aus Kärnten und Osttirol urbar gemacht. Aufgrund der schwer zugänglichen Lage bildete sich ein geschlossenes Siedlungsgebiet von rund 860 Quadratkilometern mit typischer Kultur und einem eigenen, aus dem Mittelhochdeutschen herreichenden Dialekt. In der Blütezeit zählte die Gottschee 176 Ortschaften und rund 28.000 Einwohnern. Innerhalb der habsburgischen Kronländer erlangte die kleine Sprachinsel eine relativ breite Bekanntheit, weil Kaiser Friedrich III. im Jahr 1492 den Gottscheern das Hausierpatent verlieh, was ihnen den Warenhandel im gesamten Raum der Monarchie ermöglichte.
1941/42 mussten die Gottscheer aufgrund eines zwischen Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien abgeschlossenen Umsiedlungsvertrags ihr Land verlassen. Sie wurden in der Folge in der damaligen Untersteiermark im heutigen Slowenien rund um Gurkfeld/Krsko südlich von Cilli/Celje angesiedelt, von wo sie 1945 flohen bzw. vertrieben wurden. Viele von ihnen fanden in Kärnten, der Steiermark, aber auch in Deutschland und den USA eine neue Heimat.
Im 2001 erschienen Buch "Die sterbenden Europäer" befasste sich der österreichische Literat Karl Markus Gauß u.a. mit den Gottscheern und machte deren Geschichte und Sprache einem breiteren Publikum bekannt.