"Sensus fidei" beim Thema Scheidung berücksichtigen
Der "sensus fidei" - der Glaubenssinn des Kirchenvolkes - hat nach Überzeugung der neuen Salzburger Professorin für Moraltheologie, Angelika Walser, eine theologische Qualität, die vom kirchlichen Lehramt z.B. beim Thema Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene aufgegriffen werden müsste. Zwei auf Wunsch des Papstes im Vorfeld der Bischofssynode durchgeführte Befragungen unter den Katholiken in aller Welt seien diesbezüglich "eindeutig" befürwortend ausgefallen. "Wenn nun nach einem derart großen, weltweiten Anlauf bei der Synode nichts herauskäme, wäre ich sehr enttäuscht", sagte Walser in einem Interview mit den "Salzburger Nachrichten" (Dienstag-Ausgabe).
Würden Wiederverheiratete generell von den Sakramenten ausgeschlossen, wäre dies eine "Moral gegen Menschen" und stünde im Widerspruch zur Botschaft Jesu, erklärte die Theologin, die seit Beginn des Wintersemesters Ordinaria an der Uni Salzburg ist. Freilich könne daraus auch kein "Freibrief für Scheidungen" abgeleitet werden.
Walser rief zur Achtsamkeit auf, "dass Barmherzigkeit nicht als seelsorgliche Soße missverstanden wird, die ich über alles gieße nach dem Motto: Die Gesetze bleiben, aber im Einzelfall sind wir ein bisschen barmherzig." Barmherzigkeit meine vielmehr die "lebensspendende Kraft Gottes", die neues Leben und einen neuen Anfang ermögliche. Demgemäß habe die Kirche eine Moral zu verkünden, "die lebensförderlich ist".
Dass an der Salzburger Theologischen Fakultät drei der vier neu besetzten Professuren an Theologinnen gingen - neben Moraltheologie auch Altes Testament und Religionswissenschaft - sieht Angelika Walser als Signal seitens der Fakultät, dass Frauen in der Theologie mehr mitreden. "Wenn das ein Trend ist, begrüße ich ihn."
Wirtschaft hat ein Ethikdefizit
Wirtschaftliches Handeln muss angesichts der sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich ethisch und politisch-philosophisch auf den Prüfstand gestellt werden, "ob es gerecht und angemessen ist". Dies betrachtet der neue Philosophie- und Ethikprofessor an der Katholischen Privatuniversität (KU) Linz, Michael Fuchs, als derzeit drängendstes ethisches Problem unserer Zeit? "Wir müssen in unserer Gesellschaft darauf achten, dass alle die Chance haben, ein menschenwürdiges Leben zu leben", sagte der Wissenschaftler in einem Interview für die Dienstag-Ausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten".
Es sei zu hinterfragen, nach welchen Kriterien Erträge und Positionen derzeit verteilt werden. Die Kluft zwischen Vermögenden und Armen sei "in einer Art und Weise auseinandergegangen, die nicht unbedingt gut ist", sagte Fuchs. Auch ein weiteres brennendes Ethikthema - der Frieden - habe eine enge Verbindung mit der ungleichen Verteilung der Güter auf der Welt.
Der aus Bonn stammende Philosoph äußerte sich auch zum Ergebnis der jüngsten Landtagswahlen in Oberösterreich und dem darin erkennbaren Rechtsruck: Er sehe es mit Skepsis und sei nicht froh darüber. Darin drückten sich Ängste gegenüber Fremden aus - "unbegründete Ängste, wie ich meine". Philosophen hätten sich immer dafür interessiert, dass Menschen verschieden sind, erinnerte Fuchs. Zur Sichtweise, dass kulturelle Unterschiede eine "Quelle der Bereicherung" sind, geselle sich aber immer auch die Sorge um Identitätsverlust. "Ich glaube, dass Reflexion solche Ängste sichtbar machen und bewältigen helfen kann", gab sich Fuchs optimistisch.
Quelle: kathpress