Mahnung nach gerechtem Abkommen
Vor dem UN-Klimagipfel in Paris drängen Experten und Kirchenvertreter auf ehrgeizige Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Der Präsident des Weltdachverbandes katholischer Hilfswerke (CIDSE), Heinz Hödl, forderte in einer Stellungnahme gegenüber "Kathpress" gemeinsame Anstrengungen auf staatlicher Ebene wie auch aller Einzelpersonen zugleich. Es komme letzten Endes "auf eine ökologische Umkehr an", die individuellen Wandel genauso wie "strukturelle Umkehr" durch Politik, Wirtschaft und Gesellschaftsleben umfasse. Hödl: "Es geht nicht um 'mehr', sondern um bessere, gerechtere und fairere Bedingungen für alle. Es geht um Gerechtigkeit."
Ab Montag soll in der französischen Hauptstadt ein neues Abkommen zum Klimaschutz ausgehandelt werden. Es soll 2020 in Kraft treten. Wichtigstes Ziel ist, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu senken. Das Gas, das unter anderem durch die Nutzung von Kohle und Öl in die Atmosphäre gelangt, gilt als eine Hauptursache für den Klimawandel. Die Verhandlungen an dem Vertragsentwurf werden nach Einschätzung von Beobachtern bis zur letzten Minute andauern. Umstritten ist unter anderem die Frage, wie jene Staaten unterstützt werden, die schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels leiden.
Der CIDSE-Präsident appellierte an den Pariser UN-Gipfel, dass er neben dem Klimaschutz auch eine Reihe weitere damit zusammenhängende Themen zur Sprache bringe, darunter Hunger und Ernährungssicherheit, Energieversorgung der gesamten Menschheit, sowie die Hinterfragung des wachstumsorientierten Wirtschaftsmodells. "Ausdrücklich muss zudem die Tatsache anerkannt werden, dass die Folgen des Klimawandels die Menschenrechte bedrohen können", mahnte Hödl, der auch Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Entwicklung und Mission (KOO) ist.
Hödl verwies auf die Papst-Enzyklika "Laudato si", deren Grundgedanken für die Klimakonferenz eine Richtschnur bilden könne. Dazu gehörten die Forderung nach grundlegenden Systemänderungen, nach einer Bekämpfung der Ursachen der sozialen und ökologischen Krise inklusive Abkehr von fossilen Energieträgern, sowie die Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 Grad. "Wir brauchen Entwicklungsmodelle, die Gleichheit und Gerechtigkeit fördern und die Teilhabe derjenigen sicherstellen, die am schwersten betroffen sind", so Hödl anlässlich der Präsentation der deutschen Fassung der CIDSE-Broschüre "Paris, für die Menschen und für den Planeten".
Für eine radikale Änderung der Lebensweisen und Werte, mit der erst eine Senkung des Gesamtenergieverbrauchs erreichbar sei, ist laut dem Entwicklungsexperten die Förderung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie jenes umweltbewussten Lebensmittelkonsums notwendig, der auch den Erzeugern ein angemessenes Auskommen sichere. Bewährte Konzepte dafür existierten bereits, bräuchten jedoch noch mehr Unterstützung.
Schick: Abkommen beugt Fluchtursachen vor
Auch in Deutschland pochen Kirchenvertreter auf ein Zustandekommen eines ehrgeizigen Klimavertrages und warnen vor Folgen eines Scheiterns der Verhandlungen. Ein wirksames Abkommen könne auch eine Maßnahme gegen Flucht sein, sagte Weltkirche-Bischof Ludwig Schick am Freitag im Interview der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Nach Angaben des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" mussten zwischen 2008 und 2013 rund 140 Millionen Menschen zumindest zeitweilig aufgrund "klimabedingter Katastrophen" ihr Zuhause verlassen.
Immer mehr Nichtregierungsorganisationen kritisieren zudem, dass das im Vorfeld ausgegebene Zwei-Grad-Ziel nicht ausreiche, um den Klimawandel entscheidend aufzuhalten. Der Wert bezieht sich auf einen Anstieg im Vergleich zur globalen Durchschnittstemperatur in der vorindustriellen Zeit. "Inzwischen ist bekannt, dass für einige Regionen und empfindliche Ökosysteme bereits bei einer Erwärmung von mehr als 1,5 Grad hohe Risiken bestehen", sagte Stefan Tuschen, Experte des katholischen Hilfswerks Misereor, der KNA. Daher müsse sich die Staatengemeinschaft "ehrgeizigere Ziele" setzen. Ähnlich äußerte sich Care.
Die Organisation terre des hommes verwies zusammen mit Klimaforscher Mojib Latif auf die Folgen des Klimawandels für Kinder. Rund 160 Millionen Mädchen und Jungen seien von zu erwartenden Dürren betroffen; mehr als 500 Millionen lebten in von Überschwemmungen bedrohten Gebieten.
Kirchliches Begleitprogramm
In und um Paris waren für das Wochenende zahlreiche Veranstaltungen mit Blick auf den UN-Gipfel geplant. Für Samstag war die Übergabe der Petitionen der internationalen "Klimapilger" an die Generalsekretärin des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC), Christiana Figueres, an Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande, Außenminister Laurent Fabius und Umweltministerin Segolene Royal angesetzt. Der für Sonntag in Paris geplante "Globale Marsch für das Klima" wurde wie andere Großdemonstrationen im Zuge der jüngsten Terroranschläge abgesagt. In vielen anderen Städten finden solche Märsche dagegen statt.
Der afrikanische Kurienkardinal Peter Turkson rief in einem Gastbeitrag für "Zeit Online" auf, an diesen Kundgebungen teilzunehmen. Das entspreche auch dem von Papst Franziskus geforderten "ökologischen Bürgertum". Der Papst, der sich derzeit auf einer Afrika-Reise befindet, hatte am Donnerstag am Sitz des UN-Umweltprogramms UNEP im kenianischen Nairobi eindrücklich vor einem Scheitern des Gipfels gewarnt.
Quelle: kathpress