Programm: Franziskus geht an die Grenzen
Bei seiner zwölften Auslandsreise geht Papst Franziskus erneut an die Ränder: Auch wenn es sich bei der Mexiko-Visite vom 12. bis 17. Februar um einen Pastoralbesuch handelt, will Franziskus Glaubensantworten auf soziale Problemstellungen geben, wie die Wahl der Schauplätze zeigt: Von der Süd- und die Nordgrenze, aus den Hochburgen der Gewalt- und Drogenkriminalität und auch im religiösen Zentrum des Landes mit der zweitgrößten Katholikenzahl will der Papst seine Botschaften an die Menschen seines Heimatkontinentes und darüber hinaus richten. Wie schon bei bisherigen Reisen, geht Franziskus mit einem enorm dichten Programm auch diesmal an die Grenzen des physisch Ertragbaren.
Den Beginn macht der Papst bei der Landesheiligen Mexikos, die zugleich Patronin von ganz Amerika ist: Er besucht die Basilika von Guadalupe, wo 1521 Maria dem Indio Juan Diego Cuauhtlatoatzin (1474-1548) erschienen sein soll. Franziskus kommt dazu am Freitag, 12. Februar, um 19.30 Uhr (Ortszeit) am Flughafen von Mexiko-Stadt an und wird von Präsident Enrique Pena Nieto empfangen, der ihn gleich am Morgen des 13. Februars im Nationalpalast willkommen heißt, wo auch eine Begegnung mit der Regierung und dem diplomatischen Corps vorgesehen ist.
Am "Zocalo", Mexikos Hauptplatz, wird Franziskus vor 70.000 Menschen aus den Händen von Bürgermeister Miguel Angel Mancera die Schlüssel der Stadt empfangen - eine Geste der Auszeichnung, auf die auch die Stadtchefs der weiteren Besuchsorte Morelia und Ciudad Juarez Wert legen. In der am Platz gelegenen Kathedrale, deren Glockengeläut erfolgt, sobald das Papamobil erfolgt, ist ein Treffen mit den Bischöfen der 93 Diözesen des Landes angesetzt.
Zum Höhepunkt des Samstags-Programms wird der Papst am späten Nachmittag auf dem Vorplatz der Guadalupe-Kirche am Tepeyac-Hügel erwartet, der ebenfalls einer großen Menschenmenge Platz bietet. Von der nunmehr als Museum genutzten alten Basilika geht er in einer Prozession in das daneben liegende neue Heiligtum aus dem Jahr 1976, das zum Guadalupe-Tag am 12. Dezember alljährlich von über 5 Millionen Pilgern aufgesucht wird. Vor dem Gnadenbild will der Papst beten und eine goldene Krone niederlegen, anschließend findet ein Gottesdienst statt.
Für alle Reisestationen gilt: Der Andrang von Menschen, die Franziskus sehen wollen, übersteigt das Platzangebot um ein Vielfaches. Allen Papst-Pilgern, die keine der streng limitierten Platzkarten bekommen, empfiehlt die Ortskirche deshalb, besser als Zaungäste zu den Papamobil-Routen zu kommen. Allein in der Hauptstadt rechnen die Veranstalter mit 2,5 Millionen Zaungästen an den sieben, in Summe über 200 Kilometer langen Strecken, die Franziskus im Lauf des Besuchs hier zurücklegt. Die davon betroffenen Straßenzüge wurden von der Stadtverwaltung neu asphaltiert und gereinigt, was die Zeitung "El Universal" bereits als "Papst-Wunder" bezeichnete. Als heikel gilt dennoch der Umgang mit jenen Obdachlosen, die sich bislang geweigert haben, zum betreffenden Datum ihren Wohnort zu verlassen.
Ecatepec: Sonntagsmesse bei den Armen
Am Sonntag, 14. Februar, begibt sich der Papst ins 20 Hubschrauber-Minuten entfernte Ecatepec, wo eine große Eucharistiefeier mit über 3.000 Priestern und 300.000 Gläubigen angesetzt ist. Der Hauptstadt-Vorort mit seinen 1,7 Millionen Einwohnern - die Hälfte davon lebt in teils extremer Armut - wurde offensichtlich aus Sicherheits- und Platzgründen ausgewählt: Die Messe findet statt auf einem 45-Hektar-Areal auf dem einstigen Texcoco-See, in vergangenen Jahrzehnten eine Verdunstungsfläche für die Soda- und Mikroalgenproduktion. Berichten zufolge werden die Platzkarten jedoch zum Großteil nicht an die Anrainer, sondern an Pilger aus allen Diözesen vergeben.
Nach dem Angelus-Gebet fliegt der Papst bereits wieder nach Mexiko-Stadt zurück und besucht hier am Nachmittag das Kinderkrankenhaus der Federico Gomez-Universität. Das auf Krebs, Herz- und neurologische Krankheiten sowie Diabetes und Fettleibigkeit spezialisierte Spital zählt zu den besten Kliniken Lateinamerikas, behandelt aber vorrangig Kinder aus armen Familien. Am Abend begegnet Franziskus Kunstschaffenden und Musikern im "Auditorio Nacional", einer Konzerthalle im Chapultepec-Park zu Füßen des Schlosshügels, auf dem einst der aus Österreich stammende Maximilian I. von Mexiko (1832-1867) residierte.
Chiapas: Stärkung der Indigenen
Am Montag, 15. Februar, begibt sich der Papst in den Bundesstaat Chiapas, der für seinen hohen Indigenen-Anteil bekannt ist. Die tropische Region im äußersten Südosten Mexikos gilt auch als die ärmste Mexikos, mit einem Bevölkerungsanteil von 76 Prozent unter der Armutsgrenze, zudem ist sie aufgrund ihrer Grenzlage zu Guatemala stark von der Migration aus Mittel- und Südamerika betroffen.
Bei seiner Ankunft in Chiapas wird der Papst am Flughafen von Tuxtla Gutierrez von Kindern mit Down-Syndrom begrüßt, die das landestypische Instrument, die Marimba, spielen. Vorgesehen ist gleich im Anschluss ein Hubschrauberflug über die im Süden der Stadt gelegene, 64 Meter hohe Christusstatue von Copoya aus dem Jahr 2011, die der Papst gemeinsam mit den dort versammelten Mitgliedern des Zoque-Volkes segnen wird. Sollte Nebel den Helikopterstart verunmöglichen, wird die Distanz von rund 70 Kilometer bis zur nächsten Station in San Cristobal de Las Casas im Auto zurückgelegt.
In der zweitgrößten Stadt von Chiapas steht ein Gottesdienst mit 100.000 Menschen ganz im Zeichen der indigenen Kultur. Franziskus erhält eine Bibel in der Tzotzil-Sprache geschenkt sowie einen Hirtenstab, dessen Schnitzereien auf die einst vom heiligen Indio-Seher Juan Diego vorgefundenen Rosen verweisen. Die Lesungen, Lieder und Gebete berücksichtigen alle neun offiziellen Sprachen von Chiapas, und dem Papst genügt es nicht, dass seine Predigt in mehrere von ihnen übersetzt wird: Er will sich auch selbst in einigen Maya-Sprachen an die Menge richten. Die Musik zur Messe stammt von 300 indigenen Mariachis und einem aus dem Bundesstaat Oaxaca angereisten Mixteken-Kinderchor.
Nach einem Mittagessen im Bischofshof mit Indigenen-Vertretern und einem Treffen mit Kranken und Senioren in der Kathedrale von San Cristobal will der Papst das dortige Grab des 2011 verstorbenen Samuel Ruiz Garcia aufsuchen. Der über 40 Jahre amtierende Bischof von Chiapas vermittelte in den 1990-ern zwischen den Zapatisten und der Regierung, setzte sich aber durch die Weihe indigener Diakone Kritik von Kirchenseite aus. Durch sein kompromissloses Eintreten für die Rechte der Indios galt Ruiz als Nachfolger von Fray Bartolome de Las Casas 1484-1566); auf den Namen des legendären Bischofs aus den Zeiten der Conquista verweist auch die Medaille, mit dem der Bürgermeister von San Cristobal Papst Franziskus für seine Verdienste um Menschenrechte - im Speziellen für die Indigenen - ehren will.
Es folgt der Rückflug per Helikopter nach Tuxtla Gutierrez zu einem Großtreffen mit Familien im Fußballstadion, zu dem rund 220.000 Menschen erwartet werden. Aspekte der Gewalt, Unsicherheit und Armut sollen hier zur Sprache kommen, besonders aber auch die heutige Situation der Familie: Dem Papst werden sich zwei Eltern vorstellen, die nach dem Scheitern einer Ehe in einer neuen Partnerschaft leben, sowie auch eine alleinerziehende Mutter und von Eltern mit einem Sohn, der an einer schweren Muskelerkrankung leidet, kündigten Mexikos Bischöfe an.
Morelia: Jugend soll Gewalt abschwören
Am darauf folgenden Dienstag, 16. Februar, begibt sich der Papst in den nordwestlich der Hauptstadt gelegenen Bundesstaat Michoacan - eine landschaftlich reizvolle Gegend mit Orten im Kolonialstil, die in jüngsten Jahren zum Schauplatz ausufernder Drogengewalt wurde. Selbst die Polizei gilt hier als hochgradig von Kartellen unterwandert, was etliche Gruppen ziviler Bürgerwehr auf den Plan gerufen hat. Als die Bischöfe Michoacans und Guerreros dem Papst bei ihrem Ad-Limina-Besuch im Vorjahr über das Ausmaß der Krise der Gewalt in Verbindung mit der Abwanderung und Arbeitslosigkeit ins Bild setzten, reagierte dieser laut Berichten mit "Entsetzen" - und nahm die Stadt ins Besuchsprogramm auf.
Diese Kulisse wählt der Papst, um an die Jugend eine Botschaft zu richten, bei der es um Werte, um Hoffnung und um den Bau einer neuen Gesellschaft gehen soll. Dies nahm der hier amtierende Erzbischof Alberto Suarez Inda - der Papst verlieh ihm im Vorjahr als ersten seiner Diözese die Kardinalswürde - in einem Interview schon vorweg. Im städtischen Morelos-Stadion ist eine Ansprache an 28.000 Jugendliche geplant, 40.000 weitere passen auf den mit Videoleinwänden bestückten Platz davor. Noch vor dieser Begegnung steht in einem anderen Stadion der Stadt ein Gottesdienst mit 20.000 Priestern, Ordensleuten und Seminaristen auf dem Programm. Wie schon zuvor rechnet man auch in Morelia mit einem Massenauflauf von zwei Millionen Menschen.
Ciudad Juarez: Justizsystem, Ausbeutung und Migration
Nach seiner fünften Übernachtung in der Nuntiatur begibt sich der Papst am Mittwoch, 17. Februar, nach Ciudad Juarez, seinem letzten Besuchsort, der im äußersten Norden Mexikos liegt. Erneut hat sich Franziskus damit für einen sozialen Hotspot entschieden: 2010 galt Juarez, das schon seit den 1990ern für seine Frauenmorde berüchtigt war, mit 230 Mordfällen auf 100.000 Einwohner als gefährlichste Stadt der Welt. Heute beträgt diese Rate nur noch ein Fünftel, die Gewalttätigkeit - und das damit verbundene Ausbleiben der Touristen aus der nahen US-Grenzregion - hat sich wieder deutlich entspannt.
Erste Station macht der Papst in Juarez beim Männergefängnis Cereso 3, über das die Behörden vor fünf Jahren jegliche Kontrolle verloren hatten und wo stattdessen Drogenbanden herrschten. 700 der über 2.700 hier einsitzenden Häftlinge werden dem Papst begegnen, sowie auch 110 Frauen aus dem Frauengefängnis, von denen eine ihre Lebensgeschichte erzählen wird. Ein eigens gegründetes Häftlingsorchester "Libres en Musica" wird dem Papst zudem einen argentinischen Tango, ein italienisches Lied sowie die heimliche Landeshymne "Cielito Lindo" präsentieren.
Der triste Alltag der Arbeiter in den hunderten Niedrigstlohn-Fertigungsbetrieben der Stadt, den "Maquiladoras", wird beim nächsten Programmpunkt zur Sprache kommen: Im staatlichen "Gimnasio de Bachilleres" begegnet der Papst 3.650 Vertretern der Arbeitswelt, darunter 500 Fabriksarbeiter und 400 Industrielle. Ein Ehepaar aus der Stadt wird dem Papst die Herausforderungen in der Grenzregion schildern.
Gewichtiger Schlusspunkt der Reise ist am Nachmittag (16 Uhr Ortszeit) eine Eucharistiefeier auf dem Messegelände der Stadt, das direkt am Sperrzaun zur USA liegt. Ursprünglich war der Gottesdienst unter dem Titel "Zwei Nationen, ein Glaube" tatsächlich als grenzüberschreitendes Ereignis geplant; die Möglichkeit zur Teilnahme auch auf der Nordseite wäre von vielen spanischsprachigen Einwanderern des US-Bundesstaates Texas und darüber hinaus genutzt worden. Aus Sicherheitsgründen disponierten die US-Bischöfe jedoch um: Sie verteilten an ihre Gläubige eine begrenzte Anzahl kostenloser Zutrittskarten für das Ereignis auf mexikanischem Boden und mieteten das 51.000 Zuschauer fassende Sun Bowl-Stadion der US-Partnerstadt El Paso für eine Live-Übertragung.
Damit der Papst am Grenzzaun dringliche Worte zur Migration an die Welt richten kann, orientiert sich die ganze Messfeier nach diesem Programm: 100 Bewohner aus der Einrichtung "Casa del migrante", mit dem die Kirche in der Stadt Gestrandeten vorübergehend Notunterkunft, Verpflegung und juristischen Beistand bietet, werden beim Gottesdienst mit erwarteten 300.000 Menschen in Papst-Nähe sitzen, auch soll eine Migrantenfamilie die Gaben zum Altar bringen. Gleich nach der Messe wird Franziskus die paar Schritte zum Grenzfluss Rio Bravo gehen, dort in Stille für die beim Grenzübertritt verstorbenen Menschen beten und einen Blumenstrauß hinterlegen.
Ob und wann im Verlauf des Tages zudem weitere Gruppen, die große Hoffnungen in ein Treffen mit Franziskus setzen, dazu in Ciudad Juarez Gelegenheit bekommen, war von Seiten der mexikanischen Bischofskonferenz bis zuletzt unklar. Opfer von sexuellem Missbrauch durch Priester hatten derartige Wünsche geäußert, auch Hinterbliebene der Frauenmorde und von Bauern-Initiatitiven, während den Familien der entführten Studenten aus Iguala bereits eine Absage erteilt wurde. Die straffe Agenda lasse dies nicht zu, hieß es. Denn auch am Reiseende gibt es kaum Zeitfenster: Bereits um 19 Uhr findet die Abschiedszeremonie mit Präsident Pena Nieto, 2.500 Jugendlichen und einem Mariachi-Orchester am Flughafen statt. Am Donnerstag, 18. Februar, wird der Papst um 14.45 Uhr am Flughafen Rom-Ciampino erwartet.
Quelle: kathpress