"Hilfe vor Ort" für Politiker nur Lippenbekenntnisse
Wenn die Politik in Österreich angesichts der hohen Flüchtlingszahlen immer von mehr Hilfe vor Ort spricht, dann müssten diesen Worten endlich auch Taten folgen: Das hat Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer eingemahnt. Bis auf "reine Lippenbekenntnisse" sei bisher wenig bis nichts passiert, so Schweifer gegenüber "Kathpress". Er forderte eine massive Aufstockung der staatlichen Entwicklungshilfe. Schweifer hält sich derzeit auf der griechischen Insel Lesbos auf, um Hilfsprojekte der Caritas für Flüchtlinge zu besuchen und zu koordinieren. Auch jetzt im Winter würden täglich zwischen 1.000 und 2.000 Flüchtlinge auf der Insel ankommen, berichtete Schweifer.
Eines werde durch die Gespräche mit den Flüchtlingen immer deutlicher, betonte der Caritas-Generalsekretär: Der Flüchtlingsstrom könne nur gestoppt werden, wenn die Hilfe vor Ort in den Nachbarländern Syriens, etwa im Libanon oder in Jordanien, endlich massiv verstärkt wird. Es brauche für die Millionen Flüchtlinge in diesen Ländern bessere Unterkünfte, mehr Nahrungshilfe und auch vor allem auch Schulen für die Kinder. Viele Eltern hätten ihm erklärt, dass sie letztlich nach Europa aufgebrochen seien, weil ihre Kinder seit Jahren keine Schule mehr besuchen konnten. Das betreffe hunderttausende Kinder in der Region. Hier müsse rasch geholfen werden, so Schweifer. Das sei jene notwendige "Hilfe vor Ort", von der die heimischen Politiker vermeintlich sprechen würden.
Zwar sei der heimische Auslandskatastrophenfonds von 5 auf 20 Millionen Euro erhöht werden, nun brauche es aber auch massive Steigerungen bei der staatlichen Entwicklungshilfe, forderte der Caritas-Auslandshilfechef. Er erinnert daran, dass im letzten Regierungsübereinkommen vereinbart wurde, einen gesetzlich verbindlichen Stufenplan zur Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts (BNP) zu fixieren. Das Regierungsübereinkommen habe große Erwartungen geweckt, so Schweifer. Wenn nun aber davon die Rede ist, dass dieses Ziel laut Plan erst 2030 erreicht werden soll, dann sei das mehr als nur desillusionierend. Schweifer: "Im Klartext heißt das, die Regierung verschiebt das Vorhaben auf den 'St. Nimmerleinstag'. Dieser Stufenplan ist damit nichts anderes als der Ausdruck des Unwillens der Regierung, bei der Entwicklungshilfe substanziell etwas zu verändern." Damit werde jede Rede von mehr Hilfe vor Ort konterkariert, so Schweifer.
Die Caritas nimmt sich auf Lesbos vor allem der Bedürftigsten an: Familien mit kleinen Kindern, Schwangere, ältere und behinderte Menschen. Für 200 Personen wurde ein Gebäude angemietet, in dem sich die Flüchtlinge ausruhen und waschen können und medizinisch versorgt werden. Nach nur zwei bis drei Tagen und der Registrierung bei den Behörden würden die Menschen dann weiterfahren auf das griechische Festland und im Caritas-Quartier wird Platz für die nächsten Flüchtlinge frei.
Einige Flüchtlinge hätten ihm von ihrer dramatischen Überfahrt berichtet, so Schweifer. Viele seien nur knapp dem Kentern in den überfüllten Booten entkommen. "Eine Frau hat mir erzählt, dass sie ihr Baby wegen des hohen Wellengangs verloren hat und es ertrunken ist", zeigte sich Schweifer erschüttert. Die Katastrophe hier auf Lesbos mache deutlich: "Es geht um ganz konkrete Menschen. Menschen, die verfolgt werden und keine Perspektive mehr für ihr Leben haben. Menschen, die eine Zukunft für ihre Kinder wollen."
Quelle: kathpress