Scheuer will "entgiften", wenn Vielfalt zu Zwietracht führt
Die Vielfalt in der Diözese Linz mit sowohl explizit reformorientierten als auch traditionalistischen Kräfte ist für ihren neuen Bischof Manfred Scheuer eine Chance, birgt aber auch Gefahren. Es gebe durch diese Konstellation "oft auch gleichgültiges Nebeneinander, Gegeneinander, manchmal steckt auch Gift drin". Als Bischof sei es seine Aufgabe, im Dienst der Einheit auf unterschiedliche Richtungen zu hören, zu vermitteln und wenn nötig "auch zu entgiften", betonte Scheuer am Donnerstag im Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" (OÖN) 60 Tage nach seinem Amtsantritt.
Neue Weichenstellungen wolle er aber nicht gleich vornehmen, erklärte Scheuer. "Ein hörendes Herz heißt zuerst wahrnehmen, nicht gleich verändern wollen." Auf die Eindrücke seiner ersten Wochen im Amt habe er sich "noch keinen Reim gemacht". Außerdem sei Leitung "nicht primär eine Machtfrage", gab der Bischof zu bedenken. So zu denken, sei ein "infantiler Zugang zum Amt". Er verstehe seine Führungsposition vielmehr so, "eine Gemeinschaft in der Spur des Evangeliums zu halten, eine solidarische Gemeinschaft aufzubauen". Seine wesentliche Aufgabe sei es, "zu ermutigen und zu bestärken".
Die "sehr kritischen, heftigen Briefe", die es seit Amtsantritt neben viel Ermutigung und Freudensäußerungen auch gab, versucht Scheuer "nicht persönlich zu nehmen und die Wahrheit dahinter zu sehen". Ihm sei bewusst, dass sich in der Person des Bischofs Erwartungen, manchmal auch Projektionen und Aggressionen bündeln. "Ich glaube, das gehört zum Leben dazu."
Frauen in Leitungspositionen stärken
Mit Blick auf den Altersdurchschnitt der oberösterreichischen Priester - er liegt bei 65 Jahren - möchte Scheuer "entkrampfen, weil sich das Leben nicht nur in der Pfarrleitung abspielt". Es werde auch in Hinkunft Pfarren und Seelsorgeeinheiten geben. Eine wichtige Rolle würden künftig auch Frauen spielen. Ähnlich wie in Innsbruck möchte der Bischof auch in Linz Frauen in Leitungsaufgaben stärken. "Das ist es, was in Oberösterreich jetzt ansteht". Führungsfunktionen seien Frauen ja nicht verwehrt, auch wenn anderes für kirchliche Weiheämter gelte. Theologisch vorstellbar ist für Scheuer auch die Öffnung des Diakonenamtes für Frauen.
In der Flüchtlingsfrage setzt Scheuer vor allem auf eine Befriedung der Krisenherde im Nahen Osten. Die erste Frage müsse sein, wie es in Syrien oder im Irak zum Frieden kommt. Denn nicht die Flüchtlinge seien die Krise, "sondern der Krieg ist es". Eine Schlüsselrolle spielten laut dem Bischof auch afrikanische Länder. Dort müsse die Lage so verändert werden, "dass die Leute eine Zukunft haben".
Scheuer sprach sich auch für mehr Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus. Alle Länder der Europäischen Union, aber auch die USA und Kanada, müssten auf ihre Verantwortung aufmerksam gemacht werden. "Natürlich können Österreich und Deutschland den Flüchtlingsstrom nicht alleine schaffen", auch wenn sich dort in den vergangenen Jahren gezeigt habe, "dass Kräfte der Humanität und Solidarität stärker waren, als man zunächst erwarten durfte".
Quelle: kathpress