Mehr Licht, oder: Wie und warum man Christ werden sollte...
Es gehört zu den schönen, wenngleich historisch nicht haltbaren Anekdoten, dass der große Goethe mit einem theatralischen "Mehr Licht!" seinem Schöpfer noch im Sterben selbst den Wunsch nach Erleuchtung und Erkenntnis aufoktroyieren wollte. Ob Gott dem Wunsch nachkam, ist nicht überliefert. Tatsächlich aber führt der Ruf nach Erkenntnis mitten hinein in die spannende Frage, was denn der christliche Glaube vermag, was er "leistet" - und ob es nicht tatsächlich gute Gründe gibt, Christ zu sein.
Gute Gründe gegen das Christentum gibt es zu Genüge. Die Botschaft von der Erlösung durch das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi ist so komplex wie "unglaublich". Sie hebt nicht nur unsere Alltags-Rationalität aus den Angeln, sie ist auch ein Affront für alle, die diese Welt so belassen wollen, wie sie nunmal ist. Denn wenn Jesus wirklich von den Toten auferstanden ist, wenn seine Botschaft von der Nähe des Reiches Gottes wirklich "wahr" ist, dann kann man nicht anders, als sein Leben daran zu orientieren.
Und gewiss, auch das kann einem die Freude am Glauben vermiesen: die vielen Skandale und Verfehlungen, die Missbrauchskrise. Viele Gläubige haben sich daraufhin von der Kirche, ja, vom Glauben abgewendet. Persönliche Enttäuschungen, oftmals bedingt durch das Verhalten einzelner Vertreter der Kirche, das Verschwinden von Traditionen, das Fehlen von glaubwürdigen Vorbildern, eine weit verbreitete skeptische Grundhaltung - die Gründe für einen Austritt können vielfältig sein.
Doch es gibt auch gute Gründe, weiterhin in der Kirche zu bleiben, oder um (wieder) einzutreten:
Konkrete Anlässe |
Das Leben ist voller Überraschungen und Wendungen: Eine Entscheidung, die vor einigen Jahren wichtig und klar war, kann später wieder fragwürdig werden. Nicht selten sind einschneidende Erfahrungen und Ereignisse ein Anlass, die Frage nach dem Tragenden und Sinnvollen im Leben zu stellen.
Und plötzlich kann die Geburt eines Kindes, die Liebe zu einem Menschen oder der Tod eines Nahestehenden die Frage nach dem persönlichen Verhältnis zu Gott und zur Kirche in neuer Weise aufwerfen.
Oft stehen Ausgetretene im Zusammenhang mit Taufe, Trauung, Kindererziehung oder Begräbnis vor neuen, ganz konkreten Fragen, die auch zu einem Weg zurück in die Kirche führen können. Antworten auf einige mögliche Fragen finden Sie hier. |
Weggemeinschaft bei der persönlichen Sinnsuche |
"Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn meines Lebens?" - Mit diesen Fragen brachte der verstorbene Wiener Erzbischof Franz König die Sehnsucht vieler Menschen auf den Punkt. Es sind dies Fragen, die tief im Innern schlummern - die zugleich aber gerade heute in besonderer Dramatik auf Antwort warten:
Denn die Suche nach Orientierung in einer komplexer werdenden Welt, nach Sicherheit, wohl auch nach Geborgenheit, wo die Globalisierung den Mensch entgrenzt - dies alles bedrängt den Menschen von heute mehr denn je; und es lässt ihn zum Perlentaucher in einem bewegten Meer von Antworten werden.
Religionen können eine Antwort auf diese Fragen bieten, sie können zur Heimat für Seele und Herz werden, vor Ort konkretisiert etwa in Pfarrgemeinden oder geistlichen Gemeinschaften. Das Christentum stellt sich mit seiner Antwort in einen breiten Traditionsstrom - jenen des biblischen Erbes. Ursprung und Ziel des menschlichen Lebens sind diesem biblischen Zeugnis zufolge Gott selbst. Er ist es, der die Welt im Dasein hält, der Leben schenkt und Zukunft über den Tod hinaus bietet. Jesus Christus, der im Christentum als Sohn Gottes verehrt wird, ist Bürge dieser Hoffnung.
Der Sinn des Lebens wird in der christlichen Glaubenstradition nicht auf einem Silbertablett serviert - er erschließt sich vielmehr aus der Überzeugung, in der Gegenwart Gottes zu leben. Das kostet mitunter Mühe, kennt doch jeder ernsthaft Glaubende die Anfechtungen, die Zweifel, ja die Verzweiflung an und mit Gott - und zugleich die Wohltat des Trostes und des Gefühls von Heimat, die in Gemeinschaft gelebter Glaube verströmen kann. |
Der Wunsch nach einem "beseelten Leben" |
Feiern Sie Weihnachten, Ostern? Gehört zu einer Hochzeit für Sie noch immer das "Ja" vor dem Traualtar? Richten Sie sich nach grundlegenden moralischen Prinzipien, die sich am Nächsten orientieren? Betrauern Sie Ihre Verstorbenen auf dem Friedhof und ringen Sie nach Antworten, wenn Ihre Kinder sie mit den "großen Fragen" konfrontieren? Dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft; denn natürlich ist ein "christliches Leben" kein Leben außerhalb der Gesellschaft, außerhalb der "normalen Welt". Christlich leben bedeutet vielmehr, sich bewusst auf eine christliche Lebensstil einzulassen, zu Selbstverständlichkeiten geronnene Traditionen und Rituale bewusst zu leben, sie stets auch zu hinterfragen.
So strukturiert etwa der christliche Festkalender das Jahr nicht nur in liturgische Zeitläufte - er bietet immer auch eine Unterbrechung des Alltags. Kirchliche Feiern begleiten unsere Biografie, verleihen den schönen Anlässen Tiefe und Glanz und geben in Notzeiten Halt und Trost. Viele Feste erhalten außerdem erst durch biblische oder kirchliche Traditionen ihre Bedeutung. Erst wenn man diese Feste in Gemeinschaft mit anderen lebt, bekommt man eine Ahnung davon, dass sie "mehr" sind als bloße arbeitsfreie Zeit. |
Die Erfahrung tiefer persönlicher Krisen |
Erfahrungen des Scheiterns, der Sinnlosigkeit allen Tuns, vielleicht gar der Tod eines geliebten Menschen - stets hält das Leben auch dunkle Überraschungen für uns bereit, die uns an die Grenzen des Erträglichen führen. Wieso ich? Was hat das für einen Sinn? Existenzielle Krisen verlangen nach existenziellen Antworten und Vergewisserungen. Selten gelingt dies allein, auch hier hilft oft der Blick von außen, der Austausch mit Freunden, um Krisen zu meistern.
Auch der Glaube bietet in diesen Situationen keine einfachen Antworten, keinen billigen Trost, der mit simplen Durchhalteparolen die Tiefe einer Krise zu überbrücken versucht. Nein, ernsthafter Glaube kennt die Anfechtungen, trägt er doch eine tiefe Krisenerfahrung tief in sich: das Gefühl der Gottverlassenheit, wie sie selbst Jesus am Kreuz mit dem Ausruf "Mein Gott, warum hast du mich verlassen!" formulierte. Wahrer Trost - das ist die Botschaft des christlichen Glaubens - stellt sich nicht ein, wenn man Krisen ignoriert, sondern wenn man durch sie hindurchgeht.
In allen großen wie kleinen Krisen ist es wichtig, eine Schulter zum Anlehnen und ein offenes Ohr zu finden. Die Kirche will Ihnen eine solche Schulter sein, will Ihnen immer ein offenes Ohr leihen - in Form der zahlreichen offiziellen Anlauf- und Beratungsstellen, aber auch in Form der vielen Gläubigen in den Pfarren vor Ort. |
Auch die Leistungen der Kirche für die Gesellschaft sind reichhaltig und können sich sehen lassen. Sie ist nicht nur - rein ökonomisch betrachtet - einer der größten Arbeitgeber, Bildungs- und Kulturträger im Land. Sie bildet durch ihre zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter in den Pfarrgemeinden vor allem auch ein dichtes, tragendes Netz der Solidarität im Land und ist ein Markstein in ethischen und spirituellen Fragen.
Sollten Sie also zweifeln, zögern, Information und Gespräch suchen - wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung. Einen persönlichen Ansprechpartner in Ihrer Nähe finden Sie auf der eigens initiierten Website www.eintreten.at.
Wir laden Sie ein - zum offenen Dialog über drängende, manchmal bedrängende Fragen des Lebens, auch über Ihre Vorbehalte und Kritik an der Kirche. Denn die Kirche lebt von engagierten Christinnen und Christen, von Frauen und Männern, die darum Ringen, ein "gutes Leben" für alle zu ermöglichen.
zuletzt bearbeitet von
Henning Klingen am 28. Mai 2016