Bei Diözesanreformen Personal und Spiritualität fördern
Wenn sich in der Kirche Strukturen wandeln und wie derzeit ein "Umbau an allen Ecken" stattfindet, kostet das die beteiligten Menschen viel Kraft: Darauf hat der Paderborner Pastoralpsychologe Christoph Jacobs im Interview mit "Kathpress" hingewiesen. Jacobs hatte zuvor am Dienstag an der Universität Wien darüber gesprochen, "wie es Seelsorgern wirklich geht", anhand von Ergebnissen einer aktuellen psychologischen Seelsorgestudie aus Deutschland. Befragt wurden dabei Priester, Diakone und Pastoralassistenten - als "Schlüsselpersonen pastoralen Wandels", wie der Forscher betonte. Sein Rat an die Diözesen: Sie sollten das Personal und die Spiritualität stärker fördern und vor allem mehr auf das Zusammenpassen von Person und Tätigkeit achten.
Die eigentliche Ursache der gegenwärtigen Strukturreformen in den deutschsprachigen Diözesen ist laut Jacobs der Wandel der Gesamtgesellschaft, während der Rückgang von Priesterberufungen dafür nur der "äußere Anlass" sei. Wichtig sei es für die Kirche, in diesem Prozess "vom Erleiden ins Gestalten zu kommen". Dafür sollte seine Studie eine empirische Basis schaffen, erklärte der Priester, Theologe und Psychologe.
Die von Jacobs miterstellte Studie eines Forschungsteams von fünf Universitäten liefert detaillierte Ergebnisse über Gesundheit, Engagement und Zufriedenheit der Seelsorger in Deutschland. Nach der ersten Präsentation vor einem Jahr werden weitere Aspekte derzeit noch ausgewertet, bis 2017 zusammengefasst und Stück für Stück publiziert. Beteiligt hatten sich 8.600 Priester, Diakone und Gemeinde- und Pastoralreferenten aus 22 der 27 deutschen Diözesen, per Interviews und Fragebögen. Auch in der Erzdiözese Wien gibt es laut dem Forscher konkrete Überlegungen, die Erhebung durchzuführen; Gespräche dazu seien im Gang.
Freude an Seelsorge wird wenig vermittelt
Grundsätzlich sind die deutschen Seelsorger mit ihrem Leben überaus zufrieden, berichtete Jacobs. Überrascht habe ihn jedoch auch, dass dieses Studienergebnis für Verwunderung gesorgt habe. "Die Zufriedenheit mit der Organisation ist bei uns eingetrübt. Wir Seelsorger reden mit anderen über die Kirche, nicht aber über unser Leben und unsere Spiritualität. Wir sagen kaum, dass uns Seelsorge Freude macht, und schon gar nicht, dass es uns persönlich meist sehr gut geht." Tatsächlich sind die Seelsorger mit Struktur und Leitung der Kirche "eher unzufrieden". Keinen Zusammenhang fanden die Forscher zwischen der Größe der Seelsorgeräume und Belastung, Gesundheit und Zufriedenheit.
Auch Probleme lieferte die Studie ans Licht: So sind deutsche Priester etwa auffallend dick und konsumieren häufiger täglich Alkohol - "vermutlich nicht aus Stress oder Einsamkeit, denn auch die Pastoralen Laienmitarbeiterinnen sind teilweise davon betroffen. Seelsorge gibt viel Gelegenheit zum Essen und zum Trinken", erläuterte Jacobs. Der Zölibat werde für jene zum Problem, die diese Lebensform bloß in Kauf nähmen, statt sich bewusst für sie entschieden zu haben, so ein weiteres Ergebnis.
Pfarrersein nicht an sich stressig
Im Vergleich mit der Normalbevölkerung zeigen die Seelsorger kaum Unterschiede in ihren Persönlichkeiten. Stressig ist ihr Beruf nicht per se: Trotz hoher Arbeitszeit sind nur ein bis drei Prozent der Priester von Burnout betroffen, was deutlich weniger ist als etwa bei Lehrern, Sozialarbeitern oder Ärzten. Ein "provokantes" Ergebnis der deutschen Studie sei auch, dass Priester, die "nur Seelsorge machen", nicht unbedingt die glücklicheren und stressfreieren sind. Bedeutsam für die Zufriedenheit und Engagement sind wesentlich auch Anerkennung, Wertschätzung und klare Aufgabenfelder.
In Zeiten des Umbruchs sei es für Priester und Pastoralassistenten wichtig, ihren Auftrag und ihr Rollenbild zu hinterfragen, befand der Pastoralpsychologe. Es sei z.B. auch für die Lebenszufriedenheit und Gesundheit bedenklich, dass viele im Grunde statt Priester eigentlich "Pfarrer wie früher" sein wollten; an alternativen Modellen fehle es bislang. "Man kann sich noch nicht gut vorstellen, dass ein Priester als Priester im Team arbeitet", so Jacobs. Führen und Leiten brauche heutzutage viele menschliche und spirituelle Ressourcen, weshalb dafür nicht alle gleichermaßen in Frage kämen. Jacobs zufolge sei ein "charismenorientierter Personaleinsatz" nötig, der die Gaben der Person berücksichtigt.
Schlüsselressource Transzendenz
Als wichtigste Ressource und "Schlüsselkompetenz" für Pastoralberufe - und damit auch als eine "Stellschraube" für den pastoralen Umbau - nannte Jacobs die Spiritualität: Wer seinen Alltag von Gott erfüllt erlebe, sei zufriedener, gesünder, selbstsicherer, engagierter, belastbarer und identifiziere sich mehr mit seiner Lebensform. Sichtbar sei dieser Positiv-Effekt in jenen Diözesen, die schon lange in die Ausbildung der persönlichen spirituellen Praxis ihrer Mitarbeiter investieren, sowie auch in den Ordensgemeinschaften. Bei allem spielt auch die Lebensform mit: Wer gemeinschaftlich wohnt und lebt, ist zufriedener, gesünder und engagierter.
Quelle: kathpress