Ein interreligiöser Brückenbauer wird 90
Pater David Steindl-Rast, gebürtiger Wiener und in die USA emigrierter Benediktiner, ist für viele eine der großen spirituellen Gestalten der christlichen Welt der Gegenwart. Der vielfache Buchautor schöpft in seiner Mystik nicht nur aus christlichen, sondern auch aus östlichen Quellen. Das zeigt eines seiner jüngsten Werke, das 2011 erschienene "Credo: Ein Glaube, der alle verbindet", für das der Dalai Lama ein Vorwort schrieb. Am 12. Juli wird der Ordensmann 90 Jahre alt. Der Vier-Türme-Verlag der deutschen Benediktinerabtei Münsterschwarzach bringt aus diesem Anlass im Sommer die Biographie des Jubilars, "Ich bin durch Dich so ich. Lebenswege", heraus.
Ein interreligiöser Brückenbauer ist Steindl-Rast spätestens seit 1965, als er von seinem damaligen Abt beauftragt wurde, sich dem Dialog zwischen Christentum und Buddhismus zu widmen. So sammelte er Erfahrungen mit verschiedenen Zen-Meistern. Im Jahr 1968 gründete der Mönch gemeinsam mit Rabbinern, Buddhisten, Hindus und Sufis in den USA das "Center for Spiritual Studies". 1989 initiierte er zusammen mit dem Zen-Mönch Vanja Palmers im österreichischen Dienten am Hochkönig das "Haus der Stille" Puregg, das jedem Interessierten Zugänge zum kontemplativen Leben einer Klostergemeinschaft ebnen soll.
Unmittelbare Erfahrung und nicht vorformulierte Überlieferung ist nach der Überzeugung Steindl-Rasts entscheidend für das Erleben Gottes. Ausgehend vom berühmten Augustinus-Zitat "Unruhig ist mein Herz, bis es ruht in Dir" beschrieb der Ordensmann einmal bei einem Wiener Kulturkongress sein eigenes Gottesbild: "Gott ist nicht mehr der ganz andere, von dem wir getrennt sind, sondern Gott ist uns näher als wir selbst". Seine lebensnahe Mystik verbindet Steindl-Rast immer wieder mit der Aufforderung, auf der Suche nach Sinn mit den Sinnen zu beginnen.
David Steindl-Rast wurde am 12. Juli 1926 in Wien geboren. Er schloss dort ein Kunst- und Psychologiestudium ab, nebenbei studierte er Anthropologie. 1952 wanderte seine Familie aus wirtschaftlichen Gründen in die USA aus. Schon im Jahr darauf trat er in das damals neu gegründete Benediktinerkloster Mount Saviour im US-Bundesstaat New York ein. Bald wurde er dort zu einem Geistlichen, der nicht-christliche, spirituelle Wege erkundete, ohne die Wurzeln der eigenen Religion abzuschneiden.
Steindl-Rast hat sich aufgrund seiner Erfahrungen immer wieder gegen religiöse Absolutheitsansprüche gestellt. Den Kirchenaustritten kann er auch eine weiterführende Seite abgewinnen: Die derzeitige Autoritätskrise "zwingt uns zu fragen, worauf wir uns letztlich verlassen können". Glaubenssätze seien "immer wieder auf persönlich nachvollziehbare Erfahrung und Überzeugung zurückführen - auf innere Autorität also, bei allem Respekt für äußere".
Zwischen Vortragsreisen und Einsiedlertum
Der austro-amerikanische Benediktiner sagt von sich selbst, dass er ein Leben zwischen Reisetätigkeit - so hielt er noch im Januar einen Vortrag bei Österreichs größten Weiterbildungsveranstaltung für biologische Landwirte - und Einsiedlertum führe. Die Hälfte des Jahres ziehe er sich an verschiedene Orte zurück, meist Klöster, in denen es auch Eremitagen gebe: zum Beispiel in die Trappistenabtei Getsemani in Kentucky, in der der Mystiker Thomas Merton begraben liegt.
Die einzige Regel, die er als Einsiedler befolge, sei die, sich keine Regeln zu machen. Ein Lebensrhythmus kristallisiere sich dennoch heraus, so Steindl-Rast: Er singe Psalmen, bete und meditiere, arbeite aber auch nach benediktinischer Tradition mit den Händen, im Garten, beim Zubereiten von Mahlzeiten. "Das Entscheidende ist, und das fällt leichter in der Einsiedelei, nicht abgelenkt zu werden", erzählt er. Das Jetzt-Sein sei der entscheidende Augenblick, um Gott zu erfahren und dankbar zu sein für die Fülle des Lebens.
"Auch im Unglück kann man dankbar sein", betont Steindl-Rast - für die Gelegenheit, Geduld zu lernen, Verständnis für andere zu haben, zu wachsen: "Wenn wir auf unser Leben zurückschauen, dann sehen wir, dass das, was uns als das größte Unglück erschienen ist, sich als das größte Geschenk herausstellt, weil es zu unserem größten Wachstum beigetragen hat."
Eremit, Zen-Christ, spiritueller Globetrotter: Anlässlich seines 90. Geburtstages am 12. Juli 2016 erzählt David Steindl-Rast seine Lebensgeschichte. Er suchte nach ungewöhnlichen Zugängen und spirituellen Wegen zu nichtchristlichen Religionen und widmete sich dem Dialog zwischen Christentum und Buddhismus. Seine Mission ist die Mystik. Er ist tief überzeugt davon, dass Gottes Geist in und aus jedem spricht.
Quelle: kathpress