Ein einfaches "Ja" zwang Hessam zur Flucht
Ein einfaches "Ja" hat das Leben des jungen Iraners Hessam auf den Kopf gestellt. Im Juli 2015 beantwortete er die Frage eines Professors an einer Universität in Teheran nach möglichen staatlichen Zensuren in den Medien mit "Ja". Eine folgenschwere Antwort, die den 23-Jährigen am Ende zur Flucht aus seiner Heimat zwang. Fünf Monate später, im November 2015, schlief Hessam das erste Mal auf Österreichischem Boden. Von seinem Bett im Flüchtlingsquartier am Paschbergweg in Innsbruck aus schrieb er jenen Brief, der im März dieses Jahres durch die Tiroler Medien ging. Überfüllten Lagern ist Hessam dank des Engagements einer Bürgerin entkommen, Fortschritte auf seinem Weg zu einem sicheren Leben in Österreich gibt es bisher aber kaum - noch immer wartet er auf das Erstgespräch mit den Behörden.
In kurzem T-Shirt und Jeans sitzt Hessam am Tisch. Am linken Ohren trägt er einen kreuz-förmigen Stecker. Hessam hatte bereits in seiner Heimat begonnen, die Bibel zu lesen; für einen Muslimen ein gefährliches Unterfangen im Iran, in dem es immer noch keine Religionsfreiheit gibt und Muslimen, die zum Christentum konvertieren, die Verfolgung droht. Seine Entscheidung, sich dem Christentum zuzuwenden, sorgte auch für böses Blut innerhalb der Familie. Hessams Vater ist muslimischer Prediger und akzeptiert die Entscheidung seines Sohnes bis heute nicht. Das alleine hätte den 23-Jährigen aber noch nicht aus seiner Heimat fliehen lassen.
Als turning-point in seinem Leben beschreibt Hessam einen Tag im Juli 2015 an einer Universität in Teheran. An jenem Juli-Tag sprach er das verhängnisvolle Ja" aus. Die genauen Umstände möchte der junge Iraner nicht erzählen, zu groß ist die Angst um seine Familie und sein eigenes Schicksal bei einer möglichen Rückkehr.
In seinem Brief im März stellte der 23-Jährige allerdings klar: "Im Iran gibt es de facto keine Freiheit in Bezug auf Religion, politische Einstellung oder sexuelle Orientierung. Es genügt allein, anders zu denken, und man wird unter fadenscheinigen Anschuldigungen zum Tode verurteilt." Die mögliche Rückkehr schwebt seither wie ein Damoklesschwert über dem 23-Jährigen. Dort "erwartet mich nichts mehr. Keine Chance auf eine Ausbildung, keine Chance auf ein ruhiges und sicheres Leben".
Flucht über Türkei und Mazedonien
In seiner Heimat nicht mehr sicher, fasste er im Oktober 2015 den Entschluss, den Iran zu verlassen. Gemeinsam mit seinem besten Freunden machte er sich auf den Weg nach Europa. Über die Grenze gelangte er in die Türkei und von dort mit dem Schiff weiter nach Griechenland. Zuvor aber eine Überfahrt in einem kleinen Boot. "So einem, wie man sie täglich in den Nachrichten sieht", erzählt Hessam. In Mazedonien verlor er seinen Gefährten aus den Augen. Über Serbien ging es nach Kroatien und Slowenien, ehe er Österreich erreichte.
Zurzeit lebt der junge Iraner in der Wohnung einer Innsbruckerin und hat dort ein eigenes Zimmer. Mit der Paschberghalle sei das nicht zu vergleichen. Hier in seinem Zimmer habe er endlich Privatsphäre, finde Ruhe, um Deutsch zu lernen und in der Wohnung der Österreicherin gebe es auch keine Kämpfe, wie sie in der Parschberghalle auf der Tagesordnung gestanden hätten. Das tägliche Leben bestreitet er mit Mitteln aus der Grundversorgung. 240 Euro überweisen ihm die Tiroler Sozialen Dienste monatlich an Verpflegungs- und Taschengeld, 120 Euro bekommt er pro Jahr für Kleidung.
Er möchte sich trotzdem nicht beschweren, sondern Österreich danken - auch für die prekäre Lage in der Paschberghalle, die ihm die Motivation gab, den Brief zu schreiben. In seinem Brief bedankte er sich damals bei Polizei und Bevölkerung und erklärte, wie es den Flüchtlingen emotional geht.
Mittlerweile ist sein Deutsch gut genug, um auch Unterricht zu geben. Hessam ist Teil des Netzwerkes #refugeeslearn und jener 70 freiwilligen Lehrer, die zwei Mal pro Woche Flüchtlingen in Kleingruppen deutsch lernen. Anderen helfen zu können, gibt dem jungen Iraner jene Kraft, die er braucht, um in der unsicheren Lage im Moment durchzuhalten. Das im Iran abgebrochene Hochbau-Studium kann er in Österreich noch nicht fortsetzen, "dazu fehlt mir der positive Asylbescheid". Ein Innsbrucker Architekt hat ihm jedoch die Chance gegeben, in seinem Büro ein Praktikum zu absolvieren.
Wie lange er noch auf sein Erstgespräch warten muss, habe man ihm nicht gesagt. In der Regel "kommen aber zuerst die Iraker und die Syrer dran, dann erst Menschen aus dem Iran". Über seine Zukunft denkt er bewusst nicht viel nach - "das ruiniert mir sonst meinen Tag". Der Glaube an Gott schenke ihm aber ein Grundvertrauen, "dass alles gut wird". Im Moment wünsche er sich nichts mehr, als einen positiven Asylbescheid. Dann würde er sich in Österreich "sein Paradies auf Erden erschaffen". Die Träume ganz aus seinem Alltag zu verbannen, gelingt ihm aber nicht immer: Manchmal träumt er davon, wie es wäre, in Österreich sein Studium fortsetzen zu können, sich Heim und Haus zu schaffen und einfach friedlich zu leben.
Quelle: kathpress