Landau contra Ortner beim Thema Willkommenskultur
War die von Bevölkerung und Politik in Österreich getragene Willkommenskultur des Herbstes von 2015 ein Hoffnungszeichen hinsichtlich der Mobilisierbarkeit von Solidarität in akuten Notsituationen - oder aber Ausdruck einer zukunftsvergessenen Verantwortungslosigkeit? Caritas-Präsident Michael Landau und der für seine betont neoliberalen Positionen bekannte Journalist Christian Ortner sind der Einladung des Magazins "ypsilon" der Katholischen Männerbewegung gefolgt, dazu Pro- und Contra-Positionen zu formulieren. Und die beiden nehmen in Bezug auf die Flüchtlingskrise die erwartbar konträren Standpunkte ein.
Österreich habe während des Zustroms Heimatvertriebener im vergangenen Jahr und auch heuer noch "Großes geleistet", so Landaus Resümee. In gemeinsamer Anstrengung sei es gelungen, Männer, Frauen und ihre Kinder menschlich zu versorgen, zu Tausenden sei ihnen Schutz und Obdach gewährt worden. Dabei habe sich auch die Kirche bewährt, allein in der Erzdiözese Wien hätten 250 Pfarren mit tausend freiwillig Tätigen - viele davon bis dahin ohne Kirchenbezug - "in den Fremden ihre Schwestern und Brüder erkannt", wies Landau hin.
Der Caritas-Chef äußerte sich im Rückblick stolz auf eine solcherart agierende Kirche mit "lebensstiftender Zukunft", die ihre Rolle als Sauerteig in einer vielfach postchristlichen Gesellschaft neu einnehme. Die Kirche sei damit nicht nur zu einem Ort der Hoffnung für Flüchtlinge geworden, sondern auch für jene, "die ängstlich besorgt nach der Zukunft des Christlichen fragen". Landau wörtlich: "Kirche zeigt, wie es gehen kann. Hoffnung und Barmherzigkeit, Solidarität und Zukunftsfreude haben das letzte Wort, nicht Angst."
Der grassierenden Angst, dass der Wohlstand in Österreich und Europa schwindet, dass sich christliche Werte und mit ihnen das christliche Abendland verflüchtigen, rief Landau zu Realismus auf: "Wohlstandsinseln sind in einem Meer von Armut auf Dauer nicht stabil." Die Antwort darauf müsse Solidarität sein - in Form konkreter Nothilfe und auch als politisches Engagement. "Wir müssen tun, was wir tun können, nicht mehr, aber auch nicht weniger", so der Appell Landaus.
Ortner gegen eine "Politik der Gefühle"
Journalist Ortner schilderte ein Erlebnis, das er im Spätsommer 2015 auf einer Zugfahrt von Budapest nach Wien hatte: Eine ungarische Polizistin versuchte eine junge arabische Familie ohne Dokumente aus dem Zug zu entfernen, die schwangere Frau kollabierte zu Füßen Ortners. Instinktiv habe er wie "jeder halbwegs normale Mensch" helfen wollen, dem sei jedoch die Erkenntnis entgegengestanden: Es sei "vollkommen unakzeptabel, wenn hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Menschen völlig unkontrolliert nach Europa kommen". So sehr es dem Einzelnen gut anstehe, Menschen in Not beizustehen, ohne die Folgen zu bedenken, "so wenig ist dies für den Staat insgesamt eine vernünftige Handlungsoption", erklärte der ehemalige Chefredakteur von "Wochenpresse", "WirtschaftsWoche" und "Format".
Und Ortner ging noch weiter: Österreich habe sich im Herbst 2015 auf eine "infantile" Weise "ausschließlich von Gefühlen leiten lassen", die als Leitlinie staatlichen Handelns zum Scheitern führen würden. Zur Wahrnehmung staatlicher Verantwortung angesichts von Massenimigration gehöre es vor allem, die Souveränität darüber zu behalten, wer zu uns kommen darf und wer nicht, dabei auf die Gesetze zu achten und nicht anarchische Willkür zu dulden." Die Politik in Österreich habe das sehr spät erkannt, befand Ortner. "Mit den schädlichen Auswirkungen der bis dahin begangenen Fehler werden wir noch sehr lange zu kämpfen haben."
Quelle: kathpress