"Wir könnten 1.000 Kinderheime allein in Kenia errichten"
Die Salesianer Don Boscos wirken in Kenia vorbeugend gegen Radikalisierung und Emigration: Der katholische Orden widmet sein Tun besonders den Jugendlichen in Flüchtlingslagern und auf der Straße. "Wenn Jugendliche verzweifelt sind, werden sie zu einer Unsicherheit für alle. Bestes Gegenrezept ist, ihnen Hoffnung und Perspektiven zu vermitteln - über die Bildung", berichtete Sam Ebale, Koordinator des "Don Bosco Development Outreach Network" mit Sitz in Nairobi, im Interview mit "Kathpress". Ebale war auf Einladung des Hilfswerks Jugend Eine Welt zu Besuch in Wien.
In Kenia laufen nach verheerenden Terroranschlägen auf das größte Einkaufszentrum des Landes (2013) und auf die Universität Garissa (2014) etliche Anti-Radikalisierungs-Kampagnen. Mit lauem Erfolg, so die Einschätzung des Priesters - "denn wie können die Botschaften bei Jugendlichen ankommen, wenn sie weiter arbeitslos und arm sind?" Soziale Not und fehlende Alternativen seien jener Nährboden, auf dem Terrormilizen leichtes Spiel bei der Rekrutierung hätten, zudem würden Betroffene auch eher an Emigration überlegen: "Niemand sonst nimmt Todesgefahren wie Wüste, Meer, Schlepper und Kugelhagel auf sich", so Ebale.
Terrorangst ist auch einer der Hauptgründe dafür, dass Kenia mit der Drohung, das weltgrößte Flüchtlingslager Dadaab Ende November zu schließen, wirklich ernst machen will, trotz heftigen Widerstands seitens des UN-Flüchtlingswerks UNHCR. Schlimme Zustände in der von Islamisten kontrollierten Zeltstadt nahe der Grenze zu Somalia, in der über 340.000 Menschen leben, sowie nicht eingehaltene Hilfszusagen seitens der internationalen Organisationen bewegen die Regierung zu diesem Schritt. Wird Dadaab geschlossen, droht das ebenfalls in Kenia befindliche zweitgrößte Flüchtlingslager der Welt, das im Norden gelegenen Kakuma, überrannt zu werden, fürchtet Ebale.
In Kakuma, einem Wüstencamp für 190.000 Menschen aus über einem Dutzend Ländern, wie Somalia, Südsudan, Äthiopien, Uganda, Simbabwe, Ruanda und Burundi, sind die Salesianer Don Boscos aktiv - seit 1993 und als einzige direkt im Lager tätige ausländische Organisation. Der Orden betreibt ein Schulungszentrum, in dem 3.000 Jugendliche in zwei Lehrjahren zum Elektriker, Tischler, Schweißer, Automechaniker, Schneider oder Computertechniker ausgebildet werden, und sogar eine eigene Jobvermittlungs-Agentur, die nahtlosen Einstieg ins Berufsleben garantiert. Um Konflikte mit den Nomadenvölkern rund um das Lager zu verhindern und um auch auf deren Not zu reagieren, wird ein Fünftel der Lehrlinge aus dieser Gruppe ausgewählt.
Der Andrang für die zertifizierten und staatlich anerkannten Don Bosco-Berufskurse in Kakuma ist riesig: "Von 6.000 Anträgen pro Jahr müssen wir über 4.000 zurückschicken", berichtete Ebale. Werden Geldgeber gefunden, sollen künftig nicht nur die Lehrstellen, sondern auch die Lehrberufe aufgestockt werden. Der Orden reagiert dabei auf aktuelle Veränderungen: Infolge von kürzlichen Öl- und Gasfunden im Norden Kenias sollen junge Flüchtlinge künftig auch für die Arbeit in den Ölfirmen ausgebildet werden.
Besondere Aufmerksamkeit widmen die Salesianer in Kakuma zudem der großen Zahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, wobei viele von ihnen erst zwischen sechs und zehn Jahren alt sind. Schulen für sie gibt es, an Möglichkeiten der Freizeitgestaltung fehlt es aber. Don Bosco bietet ein Freizeitprogramm für 2.500 von ihnen. "Es ist wichtig, dass die Kinder, die ihr Leben lang nur Konflikte, Leid und Elend gesehen haben, auch spielen können und einfach Kinder sein dürfen", betonte Projektkoordinator Ebale.
Als "Zeitbomben" bezeichnete der Ordensmitarbeiter schließlich auch die halbe Million Straßenkinder Kenias; die meisten von ihnen hätten keine Familie. Die Regierung hole sie von der Straße und stecke sie in "Waisenhäuser, die Gefängnissen gleichen", so Ebale. Wer es schaffe auszureißen, begebe sich meist direkt in die Kriminalität; viele gerieten zudem in die Fänge von Radikalen. Die Salesianer Don Boscos sind auch hier aktiv: 200 von ihnen haben in der Hauptstadt Nairobi Unterschlupf in einem Don Bosco-Heim gefunden, wo sie über die ganze Schullaufbahn begleitet werden. Auch hier sei man auf Spenden angewiesen: "Die Not ist so groß, dass wir 1.000 Heime für Straßenkinder eröffnen könnten - alleine in Kenia", verdeutlichte Ebale.
Quelle: kathpress