Wiener Landespolitik ehrt selige Hildegard Burjan
Knapp 100 Jahre nachdem Hildegard Burjan als erste weibliche christlichsoziale Gemeinderätin in das Wiener Rathaus eingezogen ist, erhält sie dort wieder einen Platz: Am Montag überreichte die Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis eine Gedenktafel den Spitzen des ÖVP-Rathausklubs, wo sie angebracht wurde. In einer Feierstunde im Beisein des Wiener Weihbischofs Franz Scharl erklärte Klubobmann Manfred Juraczka, dass darüber hinaus eine steinerne Ehrentafel für die erste selige Politikerin der Neuzeit bereits beauftragt sei. Bürgermeister Michael Häupl habe das Anliegen von Anfang an unterstützt, und bereits im Frühjahr werde man die Gedenktafel öffentlich zugänglich in den Arkaden des Rathauses zum großen Vorplatz hin anbringen.
Sr. Susanne Krendelsberger, Generalleiterin der Caritas Socialis, wies "am Tag nach einer Wahl, die Österreich sehr polarisiert hat", auf das parteienübergreifende Wirken Burjans hin: Die spätere Gründerin der Schwesterngemeinschaft sei eine bis heute vorbildliche und mutige Politikerin gewesen. Bei allen weltanschaulichen Unterschieden habe sie immer inhaltliche Allianzen gesucht und "Achtung vor dem sachlichen Gegner" eingemahnt. Weihbischof Scharl verwies auf die außergewöhnliche Biografie der Seligen: Als Ehefrau habe sie mit der Caritas Socialis eine geistliche Gemeinschaft gegründet, die sich bis heute in sozialen Brennpunkten engagiert.
Der Wiener ÖVP-Parteiobmann und Stadtrat Gernot Blümel würdigte die katholische Sozialpolitikerin als "mehrfaches Vorbild für heute". Burjan habe nicht nur als mutige Frau und Politikerin der ersten Stunde Spuren hinterlassen: "Sie verkörperte damals die katholische Soziallehre in ihrem Einsatz für den Ausbau des Sozialstaates." Heute gehe es darum, den Sozialstaat zu erhalten und dabei die "Soziale Frage" im Blick auf den Mittelstand neu zu stellen, der diesen trage und finanziere.
Für Gudrun Kugler, die Initiatorin der Gedenktafel, ist Hildegard Burjan Vorbild und Inspiration: "Es sind große Fußstapfen, in denen wir arbeiten. Aber Politik braucht große Ideale und Ideen, wenn wir eine freie, gerechte Gesellschaft schaffen wollen, in der die Würde jedes Menschen geachtet und geschützt wird", sagte die ÖVP-Gemeinderätin.
Konvertitin jüdischer Abstammung
Hildegard Burjan gehörte vom 3. Dezember 1918 bis zum 22. Mai 1919 dem Wiener Gemeinderat an. Auf der Gedenktafel im ÖVP-Rathausklub heißt es dazu: "Als Konvertitin jüdischer Abstammung, Akademikerin, Ehefrau und Mutter wirkte sie innovativ, mutig und mit wachem Blick für die Nöte der Menschen".
Als zweite Tochter einer liberalen jüdischen Familie wurde Hildegard Burjan am 30. Jänner 1883 in Görlitz a. d. Neiße geboren. Nach einer schweren Erkrankung fand sie zum katholischen Glauben. Mit ihrem Gatten Alexander übersiedelte sie 1909 nach Wien und begann sich hier intensiv für die Randgruppen der Gesellschaft zu engagieren. Nach ihrem Wirken im Wiener Gemeinderat zog sie 1919 als erste christlichsoziale Abgeordnete in das Parlament ein. Als verheirate Frau und Mutter gründete sie die Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS), deren Vorsteherin sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1933 blieb. Sie wurde am 29. Jänner 2012 von Kurienkardinal Angelo Amato im Stephansdom seliggesprochen, wo seit letztem Jahr eine Stele an sie erinnert. Heute arbeiten rund 900 Mitarbeiter und Schwestern in den CS-Einrichtungen gemeinsam mit rund 400 ehrenamtlich Engagierten und 500 Praktikantinnen, um den Gründungsauftrag Hildegard Burjans zu erfüllen.
Quelle: kathpress