Religionspädagogin hinterfragt Jugendstudie "Generation What?"
Die Linzer Religionspädagogin Prof. Ilse Kögler misst der kürzlich vom ORF veröffentlichten Jugendstudie "Generation What?" nur bedingt Aussagekraft zu. Laut Studie können 84 Prozent der Befragten auch ohne "religiösen Glauben" glücklich sein. Was die Jugendlichen allerdings unter dem Begriff genau verstehen, werde nicht abgefragt, gab Kögler zu bedenken. Ihre Erfahrung zeige: "Jugendliche wählen unbekümmert aus der Vielfalt spiritueller Angebote, solange sie helfen, das Leben zu meistern." Vor allem in schwierigen Lebenslagen griffen sie auf bekannte Rituale und Praktiken zurück, suchten Trost, Unterstützung, Geborgenheit und Orientierung im ihnen bekannten Religionsspektrum. "Danach wurde allerdings in dieser Untersuchung nicht gefragt."
Die Frage nach der eigenen religiösen Ausrichtung habe sich außerdem zunehmend "privatisiert" und finde nun vor allem unter dem Aspekt der Nützlichkeit statt, nach dem Motto "Was ich glaube, ist meine Sache" bzw. "Was bringt mir Religion?", erläuterte die Theologin im Interview mit der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen.
Erklärungsbedarf sieht die Religionspädagogin auch bei der Frage nach der Wichtigkeit von Solidarität. 81 Prozent der Befragten gehen laut Studie davon aus, dass es ohne Solidarität im Leben nicht geht. Dieses Ergebnis sei zwar erfreulich, aber trügerisch, so Kögler. Aktuelle Studien des Instituts für Jugendkulturforschung belegten eine Neudeutung des Sozialen mit stärkerer Betonung von Eigenverantwortung, Eigeninitiative und ständiger "Selbstoptimierung". Wer das nicht könne, gelte als selber schuld, sagte die Theologin. Die Mehrheit finde es nicht in Ordnung, Sozialleistungen zu beanspruchen, auf die man kein Recht habe. "Das postmoderne Heiligtum ist leider das Geld, und dieses heilige Gut soll nur in den Besitz jener kommen, die sich anstrengen und etwas leisten", umschrieb sie gängige Sichtweisen. Es liegt laut der Religionspädagogin auch an der religiösen Bildung, die ursprüngliche Bedeutung etwa von Solidarität wieder plausibel zu machen.
Vertrauensverlust aller Institutionen
Ein schlechtes Zeugnis stellen Österreichs Jugendliche laut Studie "religiösen Institutionen" aus - 58 Prozent gaben an, diesen "überhaupt nicht" zu vertrauen. Die Kirche werde immer noch als "unnahbar" und "menschenfern" wahrgenommen, erklärte Kögler dieses schlechte Abschneiden. Sorgen würden Jugendliche viel eher mit dem eigenen Freundeskreis und der Familie besprechen.
Institutionen müssten heute allerdings generell "stärker um Legitimität ringen"; das gelte nicht nur für Religionsgemeinschaften, sondern auch für Parteien, die Regierung oder die Medien. 42 Prozent sprachen letzteren in der Umfrage Glaubwürdigkeit ab, der Politik vertrauen 44 Prozent "überhaupt nicht". Junge Menschen trauen, so Kögler, politischen Handlungsträgern nicht mehr zu, zufriedenstellende Antworten auf große Fragen der Zeit, wie etwa die Flüchtlingsfrage, zu finden. Ferner empfänden sie oft eine tiefe Kluft zwischen der politischen Klasse und ihrer eigenen Lebensrealität, "denken, dass Politik nur die Vorderbühne eines Machtspiels ist, in deren Hintergrund andere Gruppierungen wie z.B. Wirtschaftsträger die Fäden ziehen".
Die Kirche könne Vertrauen durch "Begegnungen mit authentischen, glaubwürdigen Vertretern" zurückgewinnen, die Auskunft über die eigenen Kraftquellen und ihren Glauben geben. Jugendlichen ließen sich den Glauben nicht einfach "überstülpen". Laut Kögler reicht es auch nicht mehr aus, Jugendliche einzuladen: "Wir müssen ihnen nachgehen, besser gesagt, uns aussetzen in uns vielleicht ungewohnten Lebenswelten - etwa Lehrlingsseelsorge in Betrieben oder Seelsorge bei Maturareisen."
Quelle: kathpress