Theologin zeichnet düsteres US-Stimmungsbild nach Trump-Wahl
Ein düsteres Stimmungsbild über die USA nach der Wahl Donald Trumps ins Weiße Haus hat die Linzer Theologin Hildegard Wustmans gezeichnet. In ihrem auf der theologischen Feuilleton-Website "feinschwarz.net" veröffentlichten Essay beschreibt sie nach einem Aufenthalt an der renommierten Universität in Berkeley (Kalifornien) gemeinsam mit der Fulbright-Stipendiatin Andrea Trenkwalder-Egger die vorherrschende Ratlosigkeit, Sorge über befürchtete Ausgrenzungspolitik und eine US-Bevölkerung, die - egal ob Republikaner oder Demokraten bevorzugend - weitgehend in Enklaven ohne Kontakt zu Andersdenkenden verbleibt. Genau diese "Blasen" gelte es zu durchbrechen und jene außerhalb nicht zu beleidigen und zu kränken, schreibt Wustmans.
Die US-erfahrene Linzer Pastoraltheologin und die früher für die Caritas und Diözese Innsbruck tätige Erziehungswissenschaftlerin Trenkwalder-Egger bekennen eigene "Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit" angesichts der Entwicklungen in den Staaten: "Was würden wir tun, wenn ein demokratisch gewählter Bundeskanzler, eine Bundeskanzlerin sich gegen die Menschenrechte ausspricht, in 140 Zeichen von der Bettkante aus am Abend oder Morgen die Politik erklärt?", heißt es in dem Artikel. Und die US-Politik stelle auch eine Anfrage an Österreich: "Welche Enklaven bilden sich bei uns heraus und wie widersetzen wir uns?"
Die beiden Forscherinnen berichten von Demonstrationen und Sit-ins, die nach der Wahl Trumps es auf dem Campus in Berkeley stattfanden. Es habe Solidaritätsaktionen für Studierende ohne Aufenthaltsbewilligung gegeben, Transparente mit der Aufschrift "Not my president", Gerüchte über eine "schwarze Liste unliebsamer Wissenschaftler". Freilich habe sich inzwischen die Lage beruhigt, Empörung und Sorge seien "offenkundig vom Alltag überrollt worden".
"Strangers in their own land"
Auf weiterhin bestehende Polarisierungen machte die Soziologin Arlie Russell Hochschild in einem Vortrag zu ihrem Buch "Strangers in their own land" (Fremde im eigenen Land) aufmerksam, von dem Wustmans und Trenkwalder-Egger berichten. Russell forschte über Anhänger der "Tea Party" in Louisiana - einem in vieler Hinsicht bemerkenswerten US-Bundesstaat: Dort herrsche große Skepsis bis Abneigung gegenüber Washington, ungeachtet der Tatsache, dass Louisiana 44 Prozent seines jährlichen Budgets über besondere Fonds von außen erhalte.
Laut Hochschild sind die "Tea Party" selbst in sich sehr heterogen hinsichtlich ihrer Kirchenverbundenheit oder ihres Umgangs mit Waffen. Was sie aber eine, sei ihr Gefühl, ein "Opfer" des Systems zu sein, das sie in ihren Leistungen und ihrem Stolz verrate. Trump habe es verstanden, diesen Menschen Selbstwertgefühl zurückzugeben, habe sie wirklich an- und nicht über sie gesprochen. Hochschild halte Trump insofern auch für die Inkarnation eines bisher verschwiegenen Diskurses und für den "schmerzhaften Beleg dafür, wie gespalten die USA sind".
Das Gegenrezept der Soziologin: Es müsse die "empathy wall" zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen durchbrochen werden, die "Gefühls-Wand", die Unverständnis, ja Feindschaft gegenüber anderen schürt, die die eigenen Meinungen und Werte nicht teilen. Russels Meinung nach gelte es, "die anderen einzuladen, die eigenen Wahrheiten mitzuteilen und sich über das auszutauschen, was für eine/n selbst wichtig ist", umschrieben die Wissenschaftlerinnen aus Österreich die auch für die heimische politische Kultur relevante Konsequenz.
Quelle: kathpress