Verkehrsclub sieht "großes Einsparpotenzial"
Der Aufruf der katholischen und evangelischen Kirchen, in der Fastenzeit nach Möglichkeit auf das Auto zu verzichten und Alternativen dazu auszuprobieren, findet immer mehr Unterstützer: Die ÖBB, der Verkehrsverbund Ost-Region und auch der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) haben sich dem "Autofasten" angeschlossen, geht aus einem Beitrag der Tageszeitung "Der Standard" (Donnerstag) hervor. Dass die Initiative in Österreich sogar notwendig sei, machte der VCÖ deutlich: Österreich gehöre zu Europas Ländern mit dem höchsten Autoanteil in der Mobilität, und gerade bei Kurz- und Kürzeststrecken bestehe ein "großes Einsparpotenzial".
Vier von zehn Autofahrten sind in Österreich laut aktuellen Zahlen aus dem Verkehrsministerium kürzer als zehn Kilometer, sieben Prozent sogar weniger als einen Kilometer lang. 69 Prozent der insgesamt 110,9 Milliarden im Jahr 2014 zurückgelegten Personenkilometern - die Strecke stieg seit 1990 um 38 Prozent - wurden in Österreich in einem Auto zurückgelegt. Gleichzeitig nimmt die Zahl transportierter Personen je Fahrzeug kontinuierlich ab, kam man doch vor 25 Jahren für die Beförderung von 1.000 Menschen mit 714 Pkws aus, während es heute bereits 862 sind. Statt 1,4 sitzen heute somit durchschnittlich nur noch 1,16 Insassen im Auto.
Hintergrund dieser Entwicklung ist auch der Kfz-Bestand, der in Österreich noch schneller als die Bevölkerung wächst: Waren Ende 2002 noch 3,99 Millionen Pkw angemeldet, betrug diese Zahl Ende 2016 bereits 4,82 Millionen, also 21 Prozent mehr. Österreichs Einwohnerzahl stieg im gleichen Zeitraum nur um 8,3 Prozent auf nunmehr 8,77 Millionen, womit auf 1.000 Einwohner nun im Schnitt 550 Pkws kommen. Nur Italien, Finnland, Luxemburg und die Inselstaaten Malta und Zypern erreichen in der EU höhere Quoten.
Deutschland: Automobilclub macht mit
In Deutschland, wo in etlichen Diözesen bereits zum 20. Mal "autogefastet" wird - mit zuletzt 2.000 Teilnehmern allerdings mit weit geringerem Zuspruch - hat sich sogar der Automobilclub ADAC dem Vorschlag angeschlossen. Der freiwillige Autoverzicht müsse auch nicht auf die Fastenzeit beschränkt bleiben, ließen sich doch vor allem kurze Strecken ließen sich auch gut zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen, sagte ADAC-Sprecher Andreas Hölzel.
Für längere Distanzen brauche es aber konkurrenzfähige Alternativen, forderte der deutsche Automobilclub. Einer eigenen Umfrage zufolge wären viele Menschen bereit, auf Bus und Bahn umzusteigen - wenn die Fahrpreise niedriger wären, die Verbindungen schneller und zuverlässiger und das Tarifsortiment verständlicher.
Kritik am "Brandmarken"
Kritisch äußerte sich hingegen der konkurrierende Automobilclub von Deutschland (AvD): Das "Autofasten" werde wegen des kurzen Zeitraums kaum zu reinerer Luft beitragen, stelle einen religiösen Zusammenhang her, durch den sich nicht alle Interessierten angesprochen fühlten, und brandmarke Menschen am Land, die auf das Auto angewiesen sind, ohne Not als "Umweltsünder", sagte AvD-Sprecher Matthias Braun der "Passauer Neuen Presse".
Auch von Seiten der Politik gab es in Deutschland sowohl Befürworter - wie Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) oder Grünen-Verkehrssprecher Stephan Kühn - und auch Gegner: Der CDU/CSU-Verkehrssprecher Ulrich Lange etwa vermisste an der Aktion "Realismus", da Bürger am Land beim Verzicht aufs Auto "schnell an Grenzen stoßen" würden. Vielen Kommunen falle es schwer, noch mehr Geld in den öffentlichen Nahverkehr zu stecken, zudem frage die junge Generation ohnehin bereits pragmatisch nach dem konkreten Nutzen des Autos und nutze etwa Carsharing schon als "echte Alternative", meinte Lange. (Infos: www.autofasten.at)
Quelle: kathpress