Fronleichnam: Christen gingen auf die Straße
Mit großen Prozessionen ist Fronleichnam in den Landeshauptstädten gefeiert worden. In Graz und Linz überlappten sich die Umzüge mit den gleichzeitig abgehaltenen Kirchentagen der evangelischen Diözesen Steiermark und Oberösterreich, wobei es jeweils zu freundschaftlichen ökumenischen Begegnungen der Kirchenleitungen kam.
Kardinal Christoph Schönborn hat beim Wiener Stadtumgang zu Fronleichnam den engen Zusammenhang von Kommunionempfang und Liebe zum Nächsten betont, wobei Nächstenliebe "auch das Verhalten den Menschen in Not, den Flüchtlingen gegenüber" betrifft. Er erinnerte an das Wort von Papst Benedikt XVI., dass "das Sakrament der Eucharistie eine soziale Dimension hat". Im Anschluss an das Schreiben von Papst Franziskus, "Amoris laetitia" (2016), sei immer wieder gefragt worden, ob "diese oder jene Gruppe jetzt zur Kommunion gehen darf", so der Wiener Erzbischof.
Im Blick auf die kirchlichen Gesetze und Vorschriften sagte Schönborn, natürlich müsse jedes Gesetz vollzogen werden. Das bedeute aber zugleich, dass es "angemessen angewendet wird". Als Christ müsse man an Jesus Maß nehmen: "Er hat Freude daran, sehnt sich danach, dass wir seinen Weg angemessen gehen."
An der Fronleichnamsprozession und dem vorangegangenen Festgottesdienst im Stephansdom nahmen auch der Apostolische Nuntius, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen, sowie der Erzbischof von Lahore in Pakistan, Sebastian Shaw, teil. Bei strahlendem Sommerwetter waren neben dem Domkapitel auch zahlreiche Vertreter katholischer Organisationen und Studentenverbindungen Teil der Festgemeinde. Unter den Repräsentanten des politischen und öffentlichen Lebens waren u.a. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger, Vizebürgermeister Michael Ludwig, Bezirksvorsteher Markus Figl und VP-Landesparteiobmann Gernot Blümel.
GRAZ: NICHT AN TRADITION ALLEIN VERHAFTET BLEIBEN
Der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl rief bei der Fronleichnamsprozession in der steirischen Landeshauptstadt dazu auf, nicht die Traditionen als Richtschnur zu sehen und daran zu hängen, sondern immer den auferstandenen Herrn zu sehen. Dazu sei es nötig, den "Blickwinkel" und "Standpunkt" immer wieder zu ändern. "Nicht dort, wo wir meinen, unsere Identität zu schützen, indem wir uns abgrenzen, erwächst das Leben der Nachfolge, sondern dort, wo wir in Liebe uns verschenken", sagte Krautwaschl.
"Identität durch Hingabe" sei die Lebensform, die "uns auf der rechten Spur der Nachfolge bleiben lässt - gerade angesichts der Herausforderungen, die sich uns in all dem stellen, was in unserer kleinen und was uns in der großen Welt begegnet". Kein Leben wachse demgegenüber aus einer Haltung der Selbstbehauptung. "Wie sehr sich doch immer wieder Menschen in der Geschichte genau daran vergangen haben, obwohl sie besten Willens waren. Wie sehr doch auch wir im Heute unserer Tage mitunter gefährdet sind, uns selbst darzustellen, weil wir 'in der Kirche' sind, statt uns in die Umgestaltung der Welt in Liebe zu verlieren", gab der Bischof zu bedenken.
Im "kleinsten und ärmsten Menschen, im Menschen, der abseits steht oder dessen Leben nicht geschützt wird, im Menschen der gefangen scheint in sich selbst", könne sich ein Christ entdecken - als jemand, der von Gott gebraucht wird, "um die Botschaft des Lebens, die Frohe Botschaft ins 2017 dieser Stadt zu sagen", erinnerte Krautwaschl. Dabei leitete er über zu bevorstehenden Wahlkampagnen: "Wenn schon 'Christsein' als nötig für diese unsere Welt in den Mund genommen wird, dann heißt es, die Würde und Achtung jedes Menschen zugleich und im selben Atemzug zu benennen und zu leben. Möge das in den Wahldebatten der kommenden Monate in unserem Land deutlich werden - es ist schon zu viel 'gegen andere' Politik gemacht worden, statt 'für'."
Alle Bereiche hätten "neues Leben" "wirklich nötig", führte Krautwaschl aus: Das gelte für die Kirche - um das Evangelium radikal zu leben - , aber auch "im Miteinander von Ehe und Familie, im Zueinander von Gemeinden, Land und Staat, im Aufeinander-Zu der Konfessionen und Religionen". - Als Signal an die Ökumene machte die Fronleichnamsprozession in Graz vor dem Landhaus, einem Prachtbau aus der Renaissance, der von den vorwiegend evangelisch gewordenen Landständen im 16. Jahrhundert errichtet wurde, Halt.
SYMBOLIK DES BROTES UND DES MAHLES
Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner sagte in seiner Predigt zu Fronleichnam, die "stille unaufdringliche Anwesenheit Gottes unter uns" in Form der verehrten Hostie sei etwa, worüber sich heute viele keine Gedanken machten. "Schmerzt es uns im Herzen, wenn Menschen diese Communio mit Gott aus irgendwelchen Gründen nicht erleben können, und haben wir mitleidsvolles Verständnis? Wie weit sind wir bereit solchen Mitchristen entgegen zu gehen, ihre Lebens- und zuweilen auch Leidensgeschichten uns aufmerksam anzuhören?", fragte der Erzbischof.
Lackner erinnert an den Heiligen Franz von Assisi, für den das zu Fronleichnam im Mittelpunkt stehende Sakrament ganz zentral gewesen sei. Der große Heilige habe über die "Demut" Gottes einen Lobgesang angestimmt, weil sich Gott "so erniedrigt, dass er sich zu unserem Heil unter der anspruchslosen Gestalt des Brotes verbirgt".
Der Innsbrucker Diözesanadministrator Jakob Bürgler nahm in seiner Fronleichnamspredigt Anleihe am Berliner Pfarrer Klaus Weyers, der in Kirchenkreisen einen Namen als humorvoller Autor und Sammler von Kirchenwitzen hat. "Wir sind keine Zufallsansammlung von Leuten, bei der sich jeder für sich mit seinen privaten kalorienreduzierten religiösen Häppchen in irgendwelche Ecken verkrümeln", so Bürgler zu Beginn der Prozession vom Dom nach Stift Wilten. Das Fronleichnamsfest sei nämlich "immer auch eine Erinnerung, dass wir die Gemeinschaft pflegen müssen - nicht nur ab und zu einmal, sondern stetig", sagte der Administrator.
Die Kirche müsse sehr darauf achten, dass die Gemeinsamkeit des Mahles - die Eucharistiefeier - "geschützt, gewahrt und gepflegt wird", denn die Gläubigen seien "seit Gründonnerstag die Kirche des gemeinsamen Mahls - und keine Zufallsansammlung". In der Eucharistiefeier erfolge "die Erinnerung an die Mitte, die uns hält; deshalb ist der Sonntag so wichtig, der Tag, an dem sich die Kirche zum Erinnerungsmahl versammelt". Wer den Sonntag leichtfertig übergehe, sei "in Gefahr, Christus zu verlieren", so Bürgler.
LINZ: PROZESSION MIT ÖKUMENE-ABSCHLUSS
Die Linzer Fronleichnamsprozession, an die sich eine ökumeniche Begegnung anschloss, wurde von Bischof Manfred Scheuer und Dompfarrer Maximilian Strasser geleitet. Die nach der Messe im Dom besuchten Stationen bei den drei Altären waren jeweils zu den Themen "Gesundheit und Wohlergehen", "Gebet und Kontemplation" sowie "Frieden und Gerechtigkeit" gestaltet. Die "vierte Station" der Fronleichnamsprozession war der Domplatz - die Prozession mündete mit dem Ende des evangelischen Gottesdienstes in einer ökumenischen Begegnung, unter dem Motto: "Wir tragen die Botschaft Jesu - sein Evangelium - in die Welt". Mit den beiden christlichen Kirchen feierten auch Landeshauptmann Thomas Stelzer, Landeshauptmann a. D. Josef Pühringer und Bürgermeister Klaus Luger.
Quelle: Kathpress