Elbs: Lebensqualität durch Muße
Eine hohe Lebensqualität erfordert durch Muße sichergestellte Freiräume wie etwa am für den Großteil der Gesellschaft arbeitsfreien Sonntag. Darauf hat der Feldkircher Bischof Benno Elbs am Sonntag anlässlich des an diesem Tag zu Ende gegangenen "Philosophicums Lech" hingewiesen. Die zum 21. Mal am Arlberg durchgeführte Veranstaltung stand diesmal unter dem "Reiz-Titel" "Mut zur Faulheit", der "wohl bewusst im Kontrast zum 'Vorarlberger Lebensmotto' des 'Schaffa, schaffa, Hüsle baua' gewählt" worden sei, wird Elbs in einer Aussendung der Diözese zitiert.
Der Sonntag sei eine Einladung zum Innehalten im täglichen Schaffen, Tun und Planen, er bleibe frei von Zweck und von Arbeit, von Mühe und Plage, "frei für Muße, Fest und Gemeinschaft, frei für das Höchste und Wertvollste - für Gott". Nachsatz des Bischofs: "Und wo die Götter Gewinn, Konsum und Leistungssteigerung heißen, da werden am Sonntag eben auch diese Götter angebetet."
Der Wert eines Menschen liege nicht zuerst in Leistung, Vermögen, Schönheit, er gründe in der Würde des Menschen selbst, sagte Elbs. "Für uns Christen gründet er in unserem Dasein als Kinder Gottes, der uns liebt."
Zugleich sei Arbeit nicht nur eine Grundlage für die Sicherung des Lebensunterhalts. Sie bedeute auch persönliche Selbstverwirklichung, Gestaltung und Kreativität, sei "ein Raum der Begegnung und eine Quelle von Freude und Glück". Dies erschließe freilich zu einem großen Teil auch unbezahlte und unbezahlbare "Arbeit", erinnerte der Vorarlberger Bischof an Tätigkeiten wie die liebevolle Pflege eines Babys, das Miteinander in Familie, Kirche und Vereinen oder die Begleitung von kranken und sterbenden Menschen. "Es sind Beziehungen abseits jeder Kommerzialisierung, die uns leben lassen", sagte der gelernte Psychotherapeut Elbs.
Der Bischof ging in seinen Ausführungen auch auf "provokante Bibelstellen" zum Thema Arbeit ein. Das Pauluswort "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen" (2 Thess 3,10) werde gerne als Argument gegen alle möglichen Formen von "Faulheit" ins Treffen geführt. "Dabei zielt Paulus damit auf die Reichen seiner Zeit, die gewohnt waren, andere für sich arbeiten zu lassen", so Elbs. In der christlichen Gemeinde sollten diese Hierarchien nicht mehr gelten. Der Völkerapostel appelliere hier also an die soziale Gleichheit.
"Für unser Empfinden von Gerechtigkeit recht provokant" sei auch das im Sonntagsevangelium verlesene Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16). Darin bekommen alle denselben Lohn - egal ob sie nur eine Stunde oder einen ganzen Tag lang gearbeitet haben, und der Evangelist merkt an: "So werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte." Elbs dazu: "Wird damit die Faulheit belohnt oder sprengt Gottes Gerechtigkeit einfach die menschlichen Maßstäbe?"
Hochkarätige Referenten
Teilnehmer des vom Wiener Philosophen Konrad Paul Liessmann als wissenschaftlicher Leiter verantworteten Philosophicums in Lech waren auch Michael Köhlmeier, der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner, Familienministerin Sophie Karmasin sowie Politikwissenschaftlerin Margit Appel von der Katholischen Sozialakademie, die über das bedingungslose Grundeinkommen als Utopie im Kontrast zur herkömmlichen Arbeits- und Leistungsgesellschaft sprach.
Für einen "fulminanten Hauptvortrag" sorgte laut Diözese Feldkirch der reformierte Wiener Theologe Ulrich Körtner, der seine Genugtuung bekundete, als evangelischer Pfarrer in einer "bummvollen römisch-katholischen Kirche" - Ort des Philosophicums ist alljährlich die neue katholische Kirche von Lech - sprechen zu dürfen. Körtner erinnerte an den "wirkmächtigen Narrativ" der Protestantismusthese des Soziologen Max Weber, der das protestantische Arbeits- und Berufsethos als eine der Voraussetzung für den modernen Kapitalismus betrachtete. Tatsächlich werde in diesem geistigen Kontext Arbeit als eine Art Gottesdienst im Alltag betrachtet. Körtner brach zugleich eine Lanze für die Muße und strich die gesellschaftspolitische Notwendigkeit des arbeitsfreien Sonntags heraus, der auch politischen Forderungen nach mehr Flexibilität in der Arbeitszeit nicht geopfert werden dürfe. Die Herausforderung bestehe in Zeiten zunehmender Digitalisierung darin, die Arbeit neu zu erfinden, so Körtner.
Das 21. Philosophicum Lech über den "Mut zur Faulheit" fand von 20. bis 24. September statt. Für das 22. Symposion von 19. bis 23. September 2018 wurde das Thema "Die Hölle. Kulturen des Unerträglichen" angekündigt. (Link: www.philosophicum.com)
Quelle: kathpress