Kirchenlieder im Schulunterricht begrenzt zulässig
Das Singen religiöser Lieder im Gesamtunterricht der Grundschule und somit außerhalb des Religionsunterrichts ist in einem "bescheidenen" Rahmen zulässig, darf aber nicht ausschließlich zur Vorbereitung der Erstkommunion erfolgen. Das hat Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung festgehalten. Konfessionslose oder andersgläubige Kinder dürfen einerseits nicht zum Singen verpflichtet werden, wenn dies einem "glaubensmäßigen Akt gleichkäme", anderseits sei eine "generelle Befreiung vom Singen religiöser Lieder unverhältnismäßig".
Auslöser war eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Harald Walser (Grüne) zur Diskussion um die Volksschule Atzenbrugg-Heiligeneich in Niederösterreich, wo im Musikunterricht Lieder für die Erstkommunion gesungen wurden. Dagegen hatten sich Eltern einer konfessionslosen Tochter gewehrt und eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht eingebracht.
Eine Beurteilung des konkreten Falls erfolgt in der Anfragebeantwortung zwar nicht. Festgehalten wird aber, was grundsätzlich erlaubt ist und was nicht.
In der Beantwortung wird auf die spezifische Eigenart des Religionsunterrichts und des Gesamtunterrichts in der Volksschule hingewiesen. Unproblematisch sei etwa, wenn im Rahmen des normalen Unterrichts auch Lieder aus verschiedensten Kulturkreisen und Religionen gesungen werden, "denn auch religiöse Lieder zählen zu dem in der Schule zu vermittelnden Kulturgut". Somit sei das Singen von religiösen Liedern "zulässig, solange dies lediglich einen bescheidenen Raum im Unterricht einnimmt und damit nicht bekenntnishafte Verhaltensweisen oder religiöse Handlungen verbunden sind".
Zudem könne auch - etwa im Sachunterricht - durchaus auf die Erstkommunion Bezug genommen und auf das Thema eingegangen werden. Religiöse Inhalte als Teil der Lehre seien dagegen dem Religionsunterricht vorbehalten.
"Nicht zulässig" ist neben Religionslehrevermittlung im Gesamtunterricht "das Singen bzw. Üben religiöser Lieder im Gesamtunterricht ausschließlich zur Vorbereitung einer außerschulischen religiösen Feier (z.B. Erstkommunion), ohne auf die aktuelle Lebenssituation der Kinder z.B. unter dem Aspekt 'Entwicklung von Verständnis für Vielfalt der Kulturen' lehrplanmäßig einzugehen". Im Rahmen der anderen Gegenstände außer Religion dürften "nicht Inhalte weiter bearbeitet werden, die in erster Linie der Vorbereitung religiöser Feste dienen. Noch weniger darf dem Religionsunterricht in diesen Belangen zugearbeitet werden."
Religiöse Feiern gehören zum Kulturgut
Generell gilt: "Die Thematisierung von Feiern mit religiösem Hintergrund als Kulturgut im Gesamtunterricht ist zulässig, solange dies zeitlich begrenzt und nicht im Übermaß stattfindet sowie das Ziel nicht in der religiösen Unterweisung besteht, und sollte so aufgebaut sein, dass einerseits eine Information über den Festtag und seinen Wertehintergrund erfolgt, damit das Verständnis für kulturelle Ereignisse der Gesellschaft bei allen Kindern gefördert wird, ein harmonisches Erlebnis für alle Kinder der Klasse ermöglicht wird und andererseits so restriktiv vorgegangen wird, dass die religiösen bzw. weltanschaulichen Gefühle bzw. Überzeugungen von andersgläubigen oder konfessionslosen Kindern nicht verletzt werden."
Generell könne von den Lehrern nicht erwartet werden, dass jedem Schüler ein auf seine "individuelle Überzeugung abgestimmter Unterricht angeboten wird", heißt es in der Anfragebeantwortung: "Jedenfalls dürfen konfessionslose oder andersgläubige Kinder nicht verpflichtet werden, religiöse Lieder zu singen, wenn dies einem glaubensmäßigen Akt gleichkäme." Aber: "Hingegen besteht in der Schule kein Anspruch darauf, nicht mit Handlungen anderer (u.a. Singen religiöser Lieder) konfrontiert zu werden. Es kann von konfessionslosen bzw. andersgläubigen Kindern erwartet werden, dass sie ein religiöses Lied akzeptieren, schon um den in der österreichischen Bundesverfassung (Art. 14 Abs. 5a B-VG) verankerten Gedanken, wonach die Jugendlichen dem religiösen Denken anderer in der österreichischen Schule aufgeschlossen sein sollen, gerecht zu werden."
Generell hält die Bildungsministerin fest, dass Paragraf 2 des Schulorganisationsgesetzes sowohl die Vermittlung von Wissen als auch von Werten vorschreibt. Auch wenn die Rechtsordnung in religiös-weltanschaulichen Fragen neutral sei, sei vom Staat keine wertneutrale Haltung gefordert: "Lehrer haben im Rahmen des Lehrplans über die religiös-weltanschauliche Pluralität, über Religionen, Ethiken und Weltanschauungen als im weitesten Sinne kulturelle Phänomene objektiv zu unterrichten. Dies mit dem Ziel, die Verständigung innerhalb der Gesellschaft zu unterstützen."
In der Anfragebeantwortung kündigt das Ministerium schließlich aufgrund der "zunehmend auftretenden Heterogenität in den Klassen" ein "klarstellendes Rundschreiben" an die Schulbehörden an.