Potz: Koran-Einheitsübersetzung undenkbar
Der Wiener Religionsrechtler Richard Potz hält eine für alle Muslime in Österreich verbindliche deutsche Einheitsübersetzung des Korans für undenkbar. Die mehreren in Österreich vertretenen islamischen Glaubensgemeinschaften könnten sich aber "darauf einigen, eine bestimmte Koran-Ausgabe als jene für sie primär maßgebliche zu bezeichnen und diese im schulischen Bereich verwenden", sagte Potz in einem Interview für die Tageszeitung "Die Presse" (Montag-Ausgabe). Integrationsminister Sebastian Kurz hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, dass die "Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich" (IGGiÖ) eine offizielle deutsche Fassung des Koran präsentiert.
Dass eine einheitliche Koran-Fassung gelinge könnte, ist für Potz "ausgeschlossen". Der Vorstand des Instituts für Religionsrecht der Universität Wien (Rechtswissenschaftliche Fakultät) verwies dazu unter anderem auf die Entstehungsgeschichte des Korans und die schwierige Übersetzung. "Es gab immer schon und gibt auch heute noch mehrere Koran-Fassungen, die von der islamischen Welt akzeptiert werden", erklärte der Religionsrechtler. Die Schwierigkeiten begännen daher schon mit der Frage, welche Fassung übersetzt werde.
Grundsätzlich, so Potz, stellten alle Koran-Übersetzungen eigentlich nur Kommentare mit Anmerkungen dar. Der Koran sei ein in gebundener Sprache verfasstes Werk der altarabischen Dichtung. "Es ist auch ein Arabisch, bei dessen Verständnis man sehr schnell ansteht. Viele ist dunkel, so dass die heutigen Fassungen allesamt vielfach das Ergebnis der nach-koranischen Auslegung sind."
Gesetz hilft nur indirekt gegen Radikalisierung
Unmittelbarer Anlass für das Interview war das neue Islamgesetz, das laut Ankündigung des zuständigen Kultusamts diese Woche in die Begutachtungsphase gehen soll. Die Novellierung des Gesetzes, das aus dem Jahr 1912 stammt, sei notwendig, um "das Recht für die islamischen Glaubensgemeinschaften auf einen Standard zu bringen, den unser heutiges Religionsrecht erfordert", sagte Potz.
Die mögliche Wirkung der Paragrafen gegen das Drohpotenzial von Islamisten schätzte er auf eine entsprechende Journalistenfrage hin jedoch zurückhaltend ein. Das neue Gesetz werde sicher das Gefühl des Angekommen- und Angenommenseins der Muslime in Österreich stärken, so Potz: "Ob das allerdings junge Leute davon abhält, in den Krieg zu ziehen, bezweifle ich."
Die Ursachen für die Radikalisierung junger Muslime in Österreich verortete der Religionsrechtler unter anderem in einer Heimat- und Perspektivlosigkeit, aber auch der Neigung zu Abenteuerlust bei Jugendlichen, die missbraucht werde. Wesentlicher Faktor sei auch die religiöse Dimension und damit einhergehend die Frage, wie in Religionen mit Gewalt umgegangen wird. "Durch das Politisch-Werden des Islam durch den Propheten bereits in der Zeit der geschehenden Offenbarung wird der Einsatz von Gewalt im Islam anders gesehen als im Christentum", sagte Potz. "Das ändert nichts daran, dass im Namen des Christentums genug Gewalt ausgeübt wurde, nur: Die Christen haben immer Probleme gehabt, sich dabei auf das Neue Testament zu berufen."
"Von IS nicht ins Bockshorn jagen lassen"
Hinsichtlich des von der Regierung angekündigten Verbots der Symbole der Terrorgruppe "Islamische Staat (IS)" warnte Potz in dem "Presse"-Gespräch davor, sich durch solche Symbolverbote selbst zu relativieren. Einschränkungen eines sensiblen Grundrechts wie der Meinungsfreiheit seien "immer äußerst problematisch", so der Religionsrechtler. "Man sollte sich durch solche verbrecherischen Organisationen wie den IS, auch wenn sie ein grausames und unglaubliches Phänomen mit einem aktuellen Bedrohungspotenzial darstellen, nicht so ins Bockshorn jagen lassen, dass man seine eigene rechtsstaatlich-demokratische Identität relativiert."
Das geplante Verbot sei keine geeignete Maßnahme und auch der Vergleich mit dem NS-Verbotsgesetz "völlig unpassend". Letzteres, so Potz, habe schließlich "eine wichtige historische Wurzel, weil letztlich unser Staat heute ganz wesentlich auf der Überwindung des Nationalsozialismus beruht".
Um gegen Radikalisierung vorzugehen, sei Bildung am wichtigsten. Für überlegenswert hält der Religionsrechtler zudem eine "Nachbesserung bei der strafrechtlichen Verfolgung der Verherrlichung der durch den IS und andere terroristische Organisationen gesetzten Straftaten in den Netzwerken".