Caritas: Neue Kampagne gegen versteckte Not
Gegen versteckte Armut in Österreich wendet sich die Caritas mit ihrer traditionellen Inlands-Kampagne im November. Ein Schwerpunkt der Spendensammlung liegt heuer auf den besonders armutsgefährdeten Alleinerziehenden und Kindern; auch auf den von der Caritas affichierten Plakaten ist unter der Aufschrift "Wohin mit ihnen?" eine Mutter mit Tochter zu sehen, die für eine Bevölkerungsgruppe stehen, die "oft unbemerkt in Not geraten". Caritas-Präsident Michael Landau forderte im Rahmen einer Pressefahrt zu Caritas-Einrichtungen in Graz mehr politisches Bemühen um leistbaren Wohnraum. "Gastgeber" Franz Küberl, Caritasdirektor in Graz, forderte von der Regierung energisch, die wachsende Arbeitslosigkeit "nicht defätistisch hinzunehmen".
1,2 Millionen Menschen in Österreich, also 14,4 Prozent der Bevölkerung, leben unter der Armutsgrenze oder sind armutsgefährdet, berief sich Landau auf aktuelle offizielle Statistiken. Die offensichtliche Armut bettelnder Menschen in Großstädten sei dabei nur die "Spitze des Eisbergs", Not spiele sich vorwiegend "hinter der Wohnungstür" ab, sagte Landau bei dem Pressegespräch am Donnerstag im Grazer "carla&paul"-Café. Vor allem alleinerziehende Mütter wüssten oft nicht, wie sie ihren Kindern neue Kleidung oder Schulsachen kaufen bzw. die Wohnung warm halten sollen.
Der Alltag in den 38 Sozialberatungsstellen der Caritas in Österreich zeige, dass abgesichertes Wohnen oberste Priorität bei der Armutsvermeidung und -bekämpfung hat. "Überteuerte Mieten, undurchschaubare Zuschlagsysteme und hohe Eigenmittelanteile bekommen nicht nur Menschen am Rand der Gesellschaft zu spüren", warnte Landau. "Das Problem hat längst die Mittelschicht erreicht." Die durchaus "klaren Ansagen" im Regierungsabkommen zum Thema leistbares Wohnen seien bisher nicht umgesetzt, "vom angekündigten Maßnahmen-Mix spüren und sehen wir noch nichts", kritisierte Landau.
"Wieder mehr für sozialen Wohnbau tun"
Aus Sicht der Caritas müsse die 2001 abgeschaffte Zweckwidmung der Wohnbauförderung wieder eingeführt werden. Dies würde nicht nur mehr Wohnraum schaffen, sondern auch Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft schaffen und die derzeit so hohen Preise auf dem Wohnungsmarkt dämpfen. Landau forderte die Gemeinden und Kommunen auf, "wieder mehr für den sozialen Wohnbau zu tun"; Wohnungen müssten verstärkt auch eigenmittelfrei zu haben sein. Als eine "gewaltige Baustelle" bezeichnete der Caritas-Chef das Mietrecht. "Undurchsichtigkeiten" müssten beendet werden, Maklergebühren seien vom Auftraggeber - dem Vermieter - zu tragen. Befürwortet wird von der Caritas auch ein österreichweites Modell der Delogierungsprävention.
Die Mindestsicherung - laut Landau wichtiges Instrument der Bekämpfung von Armut - solle wie bereits jetzt in Tirol und Vorarlberg von einer Soll-Leistung in Richtung Rechtsanspruch auf tatsächlichen Wohnbedarf weiterentwickelt werden. Und: Auch für Zusatzleistungen wie gesundheitsbedingte Mehrkosten, Wohnraumschaffung, Kautionen oder Reparaturen solle es einen Rechtsanspruch geben.
"Die Kluft zwischen Arm und Reich darf sich in Österreich nicht weiter vergrößern", appellierte Landau. Und er forderte dazu auf, eine Not nicht gegen die andere auszuspielen.
Küberl: "Armutsantreiber Nummer eins" bekämpfen
Maßnahmen gegen den "Armutsantreiber Nummer eins, die Arbeitslosigkeit" forderte der Grazer Caritasdirektor Franz Küberl. Auch wenn Österreich im EU-Vergleich mit einer Quote von 4,7 Prozent (Ende August; gegenüber 10,1 Prozent der EU-28) gut dastehe. Angesichts eines Arbeitslosigkeitsanstiegs in Österreich von fast zwölf Prozent gegen über dem Vorjahr müsse die Politik vehement gegensteuern, so der Appell Küberls an den Sozialminister: Diesen Zuwachs einfach hinzunehmen sei "unverständlich". Die Caritas wisse, dass mehr Arbeitslose unweigerlich auch mehr manifest Arme im Jahr darauf bedeuten. "Manifest arm" sind in Österreich insgesamt fünf Prozent, unter Langzeitarbeitslosen jedoch 31 Prozent, so Küberl.
Im Alltag bedeutet das, kein Geld für das Nötigste zu haben, also kein Geld für Heiz- und Mietkosten, Windeln, Babynahrung oder kleine Reparaturen. Wem Geld für Wohnen und Essen fehlt, kann auch am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilnehmen, verliert Freunde und in der Isolation den Halt im Leben. Betroffene Eltern "vererben" die Arbeitslosigkeit auch häufig an ihre Kinder, wies Küberl hin und forderte eine entsprechende Förderung "jedes einzelnen Kindes".
Um Jugendarbeitslosigkeit effizienter zu bekämpfen, brauche es eine verbesserte Berufsberatung an Schulen und den Ausbau niederschwelliger Angebote für Jugendliche "aus desolaten Verhältnissen". Landau merkte dazu an, die "Botschaft" der Gesellschaft an die Jugend dürfe nicht sein: "Ihr werdet nicht gebraucht", denn sonst drohe ein "sozialer Tsunami".
Spezielle Maßnahmen forderte Küberl aber auch für ältere Arbeitslose und für schwer Vermittelbare mit Durchlässigkeit zum regulären Arbeitsmarkt. Und er wiederholte die oft erhobene Forderung der Caritas, Arbeit steuerlich zu entlasten: Eine "deutliche Senkung des Eingangssteuersatzes" empfahl Küberl als "Vorleistung" auf eine Steuerreform, die in aller Munde sei, aber realistischer Weise nicht so bald umgesetzt würde.
Vier Hilfsstationen gegen Notlagen
Die Stationen der Caritas-Pressefahrt waren neben dem gastronomisch aufgewerteten Grazer Second-hand-Lager "carla&paul" auch zwei Einrichtungen für Frauen und Männer: Das "Haus Elisabeth" bietet vom Leben geschlagenen Frauen und ihren Kindern ebenso zeitbegrenzte Schutz- und Regenerationsquartiere wie die "Arche 38" obdachlosen Männern.
Besucht wurde auch das auf notleidende Jugendliche zugeschnittene "JUCA" in Wien, das auf eigenständiges Leben und Berufswelt vorbereitet.
Diesen und anderen Einrichtungen kommt die traditionell rund um den 19. November, dem Festtag der Caritas-Patronin Elisabeth von Thüringen, durchgeführte Inlands-Kampagne und der Spendensammlung zugute. Caritas-Präsident Landau bat konkret um 30 Euro für ein "Mutter-Kind-Hilfspaket", das neben Finanzhilfe auch Beratung und Kleidung umfasst. Landaus abschließender Appell: "Gemeinsam können wir Wunder bewirken!"
Caritas-Spendenkonto: Erste Bank, IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, Kennwort "Inlandshilfe"; Online-Spenden: www.caritas.at/spenden
Quelle: Kathpress