Familien brauchen Optionen
Familienministerin Sophie Karmasin will in der Sicht der Österreicher auf die Verbindung von Familien- und Berufsleben "eingefahrene Pfade aufbrechen", um insgesamt mehr Lebensqualität für Männer, Frauen und Kinder zu erreichen. "Die Familien sollen ihr Familien- und Berufsleben so gestalten können, wie sie das für richtig empfinden und nicht wie ein gesellschaftliches Wert- und Normenbild oder die organisatorischen und infrastrukturellen Möglichkeiten es ihnen nahelegen", sagte die Ministerin in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag". Karmasin erneuerte dazu ihre Forderungen nach Änderungen bei den Kinderbetreuungsgeld-Modellen und zum weiteren Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. Auch müsse Teilzeitarbeit von Männern, die sich um ihre Kinder kümmern, stärker akzeptiert werden.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei für sie "ein ganz wichtiger Punkt", hielt die Ministerin fest. "Wahlfreiheit ist ein Schlagwort, die Familien müssen zwischen mehreren Optionen wählen können, wie sie Familie leben und nicht eingeschränkt sind mit Kindergartenzeit oder keinen Teilzeitmodellen im Beruf." "Lenkung" und nicht Wahlfreiheit sieht Karmasin beim aktuellen Kindergeld-System. "Wenn ich mich entscheide, zwölf Monate Kinderbetreuungsgeld zu beziehen, bekomme ich in Summe weniger heraus, als wenn ich mich für 30 Monate entscheide", plädierte die Ministerin stattdessen für ein Kontosystem, bei dem ein einheitlicher Beitrag für ein Kind innerhalb eines längerfristigen zeitlichen Korridors beziehbar ist.
"Meine Idealvorstellung ist, beide Elternteile reduzieren eine Zeit lang ihre Arbeitszeit und können sich beide optimal um das Kind kümmern", betonte die Familienministerin. Umgedacht werden müsse auch bei Teilzeit-Arbeitsmodellen für Männer. "Je länger wir sagen, das können sich Männer nicht leisten, wegen Job- oder Einkommensnachteilen, wird sich nie etwas ändern." Überhaupt sieht Karmasin einen Aufholbedarf bei der Familienfreundlichkeit von Unternehmen. "Letztendlich müssen nicht die Familien jobfreundlicher werden, sondern die Unternehmen familienfreundlicher."
Im Gespräch mit dem "Sonntag" äußerte sich die Ministerin auch zu ihrem Familienbegriff, der bei Katholiken nicht immer auf Zustimmung stößt. Über die unterschiedlichen heute gelebten Familienmodelle wolle sie keine Wertung vornehmen, unterstrich Karmasin auf Nachfrage der Kirchenzeitung. Sie sehe Familie "eher vom Gefühl als Wertesystem und nicht als Rechtssystem", denn: "Das wäre nicht wertschätzend. Da spreche ich von alleinerziehenden Familien, von Adoptionsfamilien, Pflegefamilien, Mehrgenerationenfamilien und noch gar nicht von gleichgeschlechtlichen Familien. Ich scheue mich, eine Wertung vorzunehmen. Natürlich funktionieren in Österreich 80 Prozent der Familien über Vater, Mutter und Kind."
Das Ziel, wonach Kinder nach Möglichkeit mit Vater und Mutter aufwachsen sollten, sei "anzustreben und anzuerkennen". Allerdings müsse auch die Beziehung stimmen. "Nur weil es Vater, Mutter und Kind sind, heißt das noch lange nicht, dass das eine intakte und positive Familie ist."