Gemeinsames Gedenken der Kirchen in Österreich
Die christlichen Kirchen in Österreich gedenken am 24. April im Wiener Stephansdom gemeinsam der Opfer des Völkermords von vor 100 Jahren an den Armeniern, den Christen der syrischen Tradition sowie der Opfer der griechischen Christen des Pontus und Ioniens. Dem Gottesdienst werden Kardinal Christoph Schönborn, der armenisch-orthodoxe Patriarchaldelegat P. Tiran Petrosyan, der syrisch-orthodoxe Chorepiskopos Emanuel Aydin und der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) vorstehen. Die Predigt hält der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der methodistische Superintendent Lothar Pöll. Der Gottesdienst beginnt um 17 Uhr.
Am 24. April 1915 hatten Einheiten der osmanischen Geheimpolizei in Istanbul hunderte armenische Intellektuelle verhaftet und nach Anatolien deportiert, wo die meisten den Tod fanden. Dies war der Startschuss für den Völkermord an den Armeniern und den Massakern an weiteren Christen syrischer und griechischer Tradition. Die Schätzungen reichen bis zu 1,5 Millionen armenische Todesopfer, sowie bis zu weiteren 500.000 Opfern unter Christen anderer Konfessionen.
Kardinal Schönborn und P. Petrosyan sprechen in ihrer gemeinsamen Einladung zum Gottesdienst von einem der schmerzlichsten Ereignisse des 20 Jahrhunderts. Hunderttausende Christen seien in den Jahren, die dem 24. April 1915 folgten, zu Märtyrern geworden, kostbare Schätze christlicher Kultur wurden vernichtet. Dieser vielfach vergessenen Katastrophe und ihrer Opfer solle im Dom ehrfurchtsvoll gedacht werden, so Schönborn und P. Petrosyan: "Die Fürbitte schließt die Täter und die Hoffnung ein, dass es gelingen möge, jede Wiederholung einer solchen Katastrophe zu verhindern.
Bei dem Gottesdienst soll auch das sogenannte "Werfel-Kreuz" eine Rolle spielen und im Altarraum Platz bekommen. Es war das Verdienst des jüdisch-böhmisch-österreichischen Schriftstellers Franz Werfel, mit seinem Roman "Die vierzig Tage des Musa Dagh" (erschienen 1933) dem Armenier-Genozid ein literarisches Denkmal geschaffen zu haben.
Der damalige armenisch-apostolische Patriarch von Jerusalem, Yegishe Tourian, war so angetan von den Nachforschungen des großen österreichisch-jüdischen Schriftstellers über die Armenierverfolgung, dass er ihm ein armenisches Kreuz (mit einer Kreuzreliquie) schenkte. Werfel trug dieses Kreuz später auch während seiner Flucht vor den NS-Schergen immer bei sich. Das Kreuz gelangte schließlich in den Besitz von Erich Rietenauer, der als Kind im Haus der Mutter von Alma Mahler-Werfel oft zu Gast war. Vor wenigen Jahren übergab Rietenauer das Kreuz an Kardinal Schönborn.
Kirchen für Völkermord-Anerkennung
Mit dem Ersuchen, dass die Republik Österreich den Völkermord am armenischen Volk anerkennen und "damit dem Beispiel vieler anderer Staaten folgen möge", hat sich vor Kurzem der Vorstand des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) in Briefen an Bundespräsident Heinz Fischer, Nationalratspräsidentin Doris Bures, Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz gewandt. Die Anerkennung dieses ersten Völkermords zu Beginn des 20. Jahrhunderts sei von österreichischer Seite "längst überfällig", betont der ÖRKÖ-Vorstand.
Eine offizielle Anerkennung des Völkermords, wie sie von vielen Staaten und Institutionen auf europäischer wie weltweiter Ebene bereits erfolgt ist, könnte ein Zeichen der Wiedergutmachung und Versöhnung bedeuten, so der ÖRKO-Vorstand: "Dies gilt umso mehr, als es in der Türkei von heute auf zivilgesellschaftlicher Basis deutliche Anzeichen der Bereitschaft gibt, das schreiende Unrecht der Ereignisse nach dem 24. April 1915 anzuerkennen und zu bedauern".
Die Briefe wurden vom Vorsitzenden des ÖRKÖ, dem evangelisch-methodistischen Superintendenten Lothar Pöll, und seinen beiden Stellvertretern, dem katholischen Diözesanbischof von Innsbruck, Manfred Scheuer, und dem evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünker, unterzeichnet.
Wie die APA am Dienstag berichtete, haben sich alle sechs Nationalratsfraktionen zu einer gemeinsamen Erklärung zusammengefunden, die den vor 100 Jahren verbrochenen Massenmord an Armeniern im Osmanischen Reich als Genozid verurteilt. Verwiesen wird in dem Papier auch auf die historische Verantwortung Österreichs, war die k.u.k.-Monarchie doch im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet. In der gemeinsamen Erklärung der Parlamentsparteien wird auch Zehntausender Angehöriger anderer christlicher Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich, etwa der Aramäer, Assyrer, Chaldäer und der Pontos-Griechen gedacht, die ebenfalls vor 100 Jahren gewaltsam zu Tode kamen.
In der Erklärung heißt es, dass es Österreichs Pflicht sei, die schrecklichen Geschehnisse als Genozid anzuerkennen und zu verurteilen. Ebenso sei es die Pflicht der Türkei, "sich der ehrlichen Aufarbeitung dunkler und schmerzhafter Kapitel ihrer Vergangenheit zu stellen und die im Osmanischen Reich begangenen Verbrechen an den Armeniern als Genozid anzuerkennen".
1,5 Millionen Heilige
Die Armenisch-apostolische Kirche wird am 23. April in einem historisch beispiellosen Akt die bis zu 1,5 Millionen Opfer heiligsprechen. Die Zeremonie findet in der Hauptkathedrale der armenisch-apostolischen Kirche in Etchmiadzin statt. Sie wird vom Oberhaupt der Kirche, Katholikos Karekin II., geleitet. So gut wie alle Bischöfe der armenischen Kirche, sowie viele weitere Geistliche und Gläubige aus aller Welt werden zu der Feier in Etschmiadzin erwartet. Es ist die erste Heiligsprechung in der armenisch-apostolischen Kirche seit dem 18. Jahrhundert.
Am Ende der Zeremonie sollen die Glocken aller armenischen Kirchen weltweit zum Gedenken an die Völkermord-Opfer läuten. Wobei laut Medienberichten dies gerade bei den armenischen Kirchen in der Türkei nicht der Fall sein wird. Das Armenische Patriarchat in Istanbul plant für den 24. April einen Gottesdienst mit Patriarchalvikar Erzbischof Aram Atesyan. Dabei soll die Betonung auf dem "gemeinsamen Schmerz" über die Ereignisse im Jahr 1915 liegen und das Wort "Völkermord" nicht verwendet werden, hieß es.
In der Michaelerkirche im ersten Wiener Bezirk wird die Heiligsprechungsfeier aus Armenien live übertragen (14.15 bis 17.15 Uhr).