Caritas und Diakonie kritisieren EU-Gipfel
Die Ergebnisse des Flüchtlings-Gipfels der EU gehen in den Augen der Caritas nicht weit genug. "Die Entscheidung, ob die EU künftig Lebensretter oder Totengräber sein möchte, ist auch gestern nicht gefallen", erklärte Caritas-Präsident Michael Landau am Freitag. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich am Donnerstag auf eine Verdreifachung der Mittel der EU-Mission "Triton" geeinigt, wobei dessen vorrangige Grenzschutz-Aufgabe oder auch der Einsatzraum, der das kritische Gebiet vor der Küste Libyens nicht einschließt, nicht verändert wurden.
Begrüße er auch die Tatsache, dass mehr Mittel für Menschenrettung zur Verfügung stehen, sei dennoch "völlig unklar", wie das im Rahmen des Grenzschutz-Abwehrsystems "Triton" möglich sein soll, so Landau. Aufrecht bleibe somit die Forderung nach "einer echten Menschenlebenrettungsaktion 'Mare Nostrum 2.0'"; die von Italien aus durchgeführte Vorgänger-Mission hätte schließlich über deutlich mehr Rettungsboote, Hubschrauber und Flugzeuge verfügt, die ausschließlich dem Retten von Menschenleben dienten. Bloße Demonstration von Rat- und Hilflosigkeit der Politiker sei zudem der Vorschlag, Boote von Schleppern an der nordafrikanischen Küste mit Militäreinsätzen zu zerstören.
Erneut forderte Landau die Schaffung legaler Fluchtwege nach Europa. "Flucht ist kein Verbrechen. Asyl ist internationales Recht! Doch die gegenwärtige Gesetzeslage macht aus Flüchtlingen Gesetzesbrecher", so der Caritas-Präsident. Nötig seien Flüchtlingskorridore, ein Bekenntnis zu einem europaweiten Resettlement-Programm aller EU-Nationalstaaten und die Vergabe humanitärer Visa, wobei durchaus auch ein kleines Land wie Österreich eine "internationale und große Vorreiterrolle" einnehmen könne. Dasselbe gelte für die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit.
Als "in keinem Punkt zufriedenstellend" wies die evangelische Diakonie das Ergebnis des Gipfels zurück. Das oberste Ziel Flüchtlingsrettung werde auf dem beschlossenen Weg nicht erreicht, erklärte Diakonie-Direktor Michael Chalupka in einer Aussendung, besonders verfehlt sei jedoch der Plan der Zerstörung von Schlepperbooten: Durch das Ausweichen auf noch kleinere und unsicherere Boote würden bloß die Gefahren für die Flüchtlinge und somit auch die Schlepperkosten ansteigen. Dass es nicht einmal eine Einigung bei der Aufnahme von 5.000 Flüchtlingen und deren Verteilung in Europa gab, sei ein "Trauerspiel".
27.000 Stimmen für Rettungspolitik
Kritik seitens der Zivilgesellschaft kam durch die diese Woche von den Hilfsorganisationen gestartete Petition "www.gegen-unrecht.at": Bereits 27.000 Unterstützer hatten sich bis Freitagnachmittag auf der Internet-Plattform für eine Wende in Richtung Menschenrechte und Lebensrettung in der europäischen Flüchtlingspolitik ausgesprochen.
Seitens der Opposition kritisierte Grünen-Chefin Eva Glawischnig bei einer Pressekonferenz in Wien, dass die beiden EU-Missionen zwar größere Budgets bekämen, deren Aktionsradius dabei aber unverändert bleibe, was die Situation nicht verbessere. "Nordafrika versinkt im Blut", so die Grünen-Obfrau im Blick auf die vielen bewaffneten Konflikte in der Ursprungsregion der Flüchtlingsboote. Der außenpolitische Sprecher der NEOS, Christoph Vavrik, vermisste auch bei der österreichischen Bundesregierung Einsatz für eine langfristige und umfassende Lösung; EU-weit brauche es neben einer echten Rettungsmission auch Schritte in Richtung eines gesamteuropäischen Asylsystems und eine neue Strategie für Wirtschaftsmigration.
Eine Gegenposition dazu nahm der für Außen- und EU-Fragen zuständige FPÖ-Sprecher Johannes Hübner ein: Europa müsse klarstellen, "dass es in Zukunft keine weitere außereuropäische, illegale Einwanderung aus dem Titel 'Asyl' dulden wird und 'Asylprobleme' auf dem eigenen Kontinent gelöst werden müssen". Potenziellen illegalen Einwanderern müsse klar gemacht werden, "dass sie künftig keine Chance mehr haben, in Europa zu bleiben", um so Schlepper zurückzudrängen. "Genau die falschen Schritte" seien zudem "EU-Zwangsquoten" für Mitgliedsländer.