"Auch der Unglaube ist nur ein Glaube"
"Auch der Unglaube ist nur ein Glaube": Diesen programmatischen Titel trägt ein Symposion an der Universität Wien, das sich dem vielschichtigen Werk des deutschen Literaten und Büchner-Preisträgers Arnold Stadler aus theologischer, literaturwissenschaftlicher und kunstgeschichtlicher Perspektive nähert. Dabei gehe es auch um die "Frage nach der humanen Relevanz des Gottesthemas angesichts der Verletzlichkeit und Hinfälligkeit des Menschen", heißt es in einer Ankündigung der veranstaltenden Katholisch-Theologischen Fakultät. Stadler selbst wird am 11. Mai um 19 Uhr im Kleinen Festsaal im Hauptgebäude der Uni Wien den Festvortrag zum Tagungstitel halten und dabei auch "Bemerkungen zur (a)religiösen Signatur der Zeit" machen.
Auch der Organisator des Symposions, der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück, wies in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung "Der Sonntag" darauf hin, dass das Wort "Gott" in der Literatur lange tabu war. Schriftsteller wie Arnold Stadler, der selbst Theologie in München und Rom sowie Germanistik studierte, würden sich dagegen "zur Wehr setzen". Freilich würden gute Autoren abseits jeglicher "frommen Selbstgewissheit" die Vokabel "Gott" sparsam oder gar nicht verwenden, so Tück. "Es reichen Andeutungen."
Die Bücher Stadlers würden Verständigungspotenziale zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden in einer weithin säkularisierten Gesellschaft aufdecken, heißt es in der Ankündigung des Symposions. Das "neu möglich gewordene Gespräch zwischen Religion und Literatur" solle dabei aufgenommen und vertieft werden. Jan-Heiner Tück: "Arnold Stadlers Werk richtet sich gegen einen allzu gewissen Zweifel, der alles, nur nicht sich selbst, infrage stellt." Ein irritationsfreier Atheismus reduziere die Wirklichkeit auf das Sichtbare, Überprüfbare und Machbare und biete somit letztlich nur eine begrenzte Perspektive.
Freilich gebe es bei Stadler auch eine mitunter scharfe Kirchen- und Theologiekritik. Tück verwies auf den Roman "Salvatore", in dem der religiös suchende Protagonist in einem Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt von der Christus-Zusage "Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt" tief ergriffen und zugleich von einem "nach Modernitätsverträglichkeit schielenden Pfarrer" abgeschreckt wird.
Auch Psalmenübertragungen sind Thema
Das Wiener Symposion beginnt am 11. Mai um 15 Uhr mit Ausführungen des Basler Professors für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte, Alfred Bodenheimer, über die Psalmenübertragungen Stadlers, die nicht der wörtlichen Übersetzung verpflichtet sind, sondern einem dichterischen Anspruch. Weiter Themen sind u.a. "der Schmerz als Geburtsort der Sprache" in Stadlers Schaffen, Formen des Humors in seinem wohl bekanntesten Roman "Mein Hund, meine Sau, mein Leben" und das "Sehnsuchtsmotiv" bei Stadler. Den Schlusspunkt setzt am 12. Mai ein Vortrag des Wiener Jesuiten und Kunsthistorikers Gustav Schörghofer über "Caravaggio in der Optik Arnold Stadlers".
Arnold Stadler wurde 1954 in Meßkirch in Oberschwaben geboren. Viele seiner autobiographisch beeinflussten Bücher spielen in seiner Heimat, im katholisch geprägten Süden Deutschlands zwischen Donau und Bodensee. Heute lebt er in einem norddeutschen Dorf zwischen Hamburg und Berlin. Stadler wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter 1999 mit dem Georg-Büchner-Preis.
Das Programm des Symposions am 11. und 12. Mai in der Aula am Campus der Uni Wien findet sich unter: http://ktf.univie.ac.at