Proteste nach Manipulation von Embryonen
In der internationalen Diskussion um den jüngsten, höchst umstrittenen und in 40 Ländern verbotenen Eingriff in das menschliche Erbgut hat sich das Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) zu Wort gemeldet. Die bisherigen Argumente für und gegen eine in China versuchte Keimbahn-Veränderung griffen zu kurz, da sie nur auf Nutzen oder Versagen des Verfahrens abzielten, so IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer in einer Aussendung. Geklärt werden müsse stattdessen vor allem, "ob die Herstellung und Vernichtung von Embryonen im Zuge der Therapiegewinnung grundsätzlich legitim ist", dürfe doch der Embryo nicht "zum Heilmittel für andere degradiert" werden.
Chinesische Forscher wollten zuvor im Experiment menschliche Embryonen durch gezielte Genveränderungen so manipulieren, dass Erbkrankheiten an ihrer genetischen Wurzel eliminiert werden. Der Versuch ging trotz Einsatz der modernsten Technik des sogenannten Genom-Editing-Verfahrens (CRISPR/Cas90) schief: Von 54 getesteten Embryonen - sie stammten aus einer Gesamtzahl von 86 Embryonen, die aus Fruchtbarkeitsklinken wegen fehlender Überlebensfähigkeit ausgesondert worden waren - wurde nur bei 28 der angepeilte Genschritt nachgewiesen, und auch hier nur in wenigen Zellen. Erschreckenderweise kam es darüber hinaus auch zu vielen unbeabsichtigten Genveränderungen.
"Wenn man die Methode an einem überlebensfähigen Embryo anwenden möchte, braucht man eine Erfolgsrate von fast 100 Prozent", hatte Studienleiter Junjiu Huang dazu erklärt. Seine Forschung war in "Protein & Cell" nach nur zweitägiger "Peer Review"-Begutachtung veröffentlicht worden, nachdem die Fachzeitschriften "Nature" und "Science" die Publikation aus ethischen Gründen abgelehnt hatten. Huang stoppte die Versuche vorerst, um die Methode zu verbessern; es war darum gegangen, den zu einer Störung im Proteinanteil des Hämoglobin führenden Gendefekt - die sogenannte "Beta-Thalassämie" - zu reparieren.
Bereits zuvor hatten zwei hochrangige Forschergruppen eine Denkpause in Form eines Moratoriums gefordert. In "Nature" und "Science" warnten sie vor der gezielten Veränderung des Erbguts menschlicher Embryonen: Niemand sollte solche Versuche machen, bevor die Folgen für die Gesellschaft erwogen wurden. Sie wünschten sich Expertenforen, die über Möglichkeiten und Risiken genchirurgischer Techniken informieren; eine "global repräsentative Gruppe" solle die Öffentlichkeit und Regierungen einschließen und Regulierungen empfehlen. Keimbahnmanipulation-Befürworter argumentierten hingegen, die Forschung benutze ohnehin nur "übriggebliebene" Embryonen und könne dazu beitragen, Generkrankungen mittelfristig zu therapieren.
IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer warf sowohl den Befürwortern als auch den bisherigen Gegnern der Methode eine "Gummi-Ethik" vor: Ein Verbot werde nur deshalb gefordert, weil Gen-Therapie bei Embryonen viele unbekannte Gefahren in sich birgt und Genveränderungen auch an die Nachkommen weitergegeben werden. Kummer: "Das ist aber nur so lange ein Argument, als es Ängste vor Versagen oder Missbrauch gibt." Beide Seiten würden nur nach Folgen und Zweck fragen, nicht aber nach den Mitteln derartiger Versuche. "Folgen gut - daher ethisch in Ordnung?", hinterfragte die Bioethikerin. Völlig übersehen werde somit, "dass der Verbrauch von menschlichen Embryonen für die Forschung an sich - egal, ob später daraus brauchbare Therapien entstehen oder nicht - nie wertneutral sein kann."
In der Reproduktionsmedizin seien schon "sehr viele rote Linien überschritten" worden, so Kummer. Nun werde "am Ende der ethischen Provokationsleiter offenbar auch den Forschern selbst schwindlig".