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Ökumene: Suche nach Neuaufbruch im katholisch-orthodoxen Dialog

 

Hochkarätige PRO ORIENTE-Diskussionsveranstaltung über Publikation "Im Dienst an der Gemeinschaft - Das Verhältnis von Primat und Synodalität neu denken" des "St.-Irenäus-Arbeitskreises" - Tück: "Synodalität ohne Primat auf der universalen Ebene bleibt störanfällig"

 

Foto: Screenshot / Youtube Pro Oriente

  

Wien, 5.11.2021 (poi) Wie kann der orthodox-katholische Dialog neuen Schwung gewinnen? Diese Frage stand im Fokus einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion am Donnerstagabend in Wien. Auf Einladung der Stiftung PRO ORIENTE diskutierten Expertinnen und Experten dabei über die Studie "Das Verhältnis von Primat und Synodalität neu denken" des "St.-Irenäus-Arbeitskreises".


Die Mitglieder des Irenäus-Kreises bearbeiteten über viele Jahre die Frage, inwieweit die Kirchenleitung durch einen Einzelnen (Papst, Primas, Patriarch) oder durch ein kollegiales Gremium (Synode, Konzil) erfolgen kann bzw. sollte. Die Experten kamen zu der Erkenntnis, dass Primat und Synodalität nicht getrennt voneinander betrachtet werden können, weil beide im Dienst an der kirchlichen Gemeinschaft stehen. So enthält die Studie des Irenäus-Kreises viele Impulse für das Gespräch zwischen Katholiken und Orthodoxen, auch über den Kreis der Experten hinaus.


Kloss: Mehr Verbindendes als Trennendes


PRO ORIENTE-Präsident Alfons Kloss würdigte in seiner Einleitung die Studie als einen "wichtigen und konstruktiven Beitrag zur Verständigung der Kirchen". Ihr innovativer Charakter bestehe darin, dass sie – anders als manche offizielle Dialogkommissionen – historische und systematisch-theologische Fragen zusammen betrachte und durch Reflexionen über ihre Kontextualität verbinde. Es liege zudem an jeder und jedem einzelnen, die Ökumene weiter voranzutreiben und die Trennung der Kirchen nicht als gegeben hinzunehmen, erinnerte Kloss: "Wir dürfen dankbar erkennen, dass uns mit unseren Schwesterkirchen mehr verbindet, als uns trennt, und dass ein gemeinsames Zeugnis in unserer fragilen Welt mehr gefordert ist, denn je."


Dankbar für das Dokument und die darin festgehaltenen Gemeinsamkeiten zeigte sich in seinem Grußwort auch der Wiener orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis). Wichtig sei dabei, dass Synodalität und Primat nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern dass sie stets "im Dienst an der Gemeinschaft und den Gläubigen" ausgeübt werden müssten. Ein "echter ökumenischer Dialog" führe zudem, so Arsenios weiter, "nicht allein über Theologenschreibtische", sondern er müsse von Bischöfen, Priestern und Gläubigen gleichermaßen getragen werden.


Orthodoxe Theologin: Ökumenischer Einklang bleibt Utopie


Die Leipziger Theologin Anna Briskina-Müller beleuchtete danach die Studie aus orthodoxer Sicht. Obgleich die Studie "sehr innovativ" sei und aus üblichen Dialogformen herausfalle, insofern sie das Ergebnis eines gemeinsamen Nachdenkens beider Dialogpartner darstelle - und nicht wie üblich die Positionsbeschreibungen jeder Seite -, so gebe es doch weiterhin auch Widersprüchliches und Kritikwürdiges.


Vielleicht sei es an der Zeit, so die Theologin, im ökumenischen Dialog zu akzeptieren, dass es theologisch nicht übersetzbare Inhalte gibt und dass ein Dialog erst dann gelingen könne, wenn die Dialogteilnehmenden zuerst die Rezeption des Glaubens des je anderen einüben, bevor sie über Gemeinsamkeiten oder Trennendes sprechen. "Wir sollten vielleicht im ökumenischen Dialog auf den erträumten Einklang als Utopie verzichten und die Widersprüche und inner- sowie interkonfessionellen Polemiken als Symptom des echten Lebens in der gemeinsamen Kirche betrachten". Das Dokument gehe positive Schritte in diese Richtung, so die Theologin.


Tück: "Synodalität ohne Primat bleibt störanfällig"


Aus katholischer Perspektive kommentierte der Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück das Dokument. Dabei zeigte Tück u.a. in einem Vergleich der Zielsetzungen des deutschen "Synodalen Weges" und des von Papst Franziskus initiierten "Synodalen Prozesses" auf, dass eine Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Synodalität und Primat allein in Richtung einer vermehrten Synodalität theologisch problematisch sei. Auch wenn für die katholische Kirche ein "primatialer Zentralismus", also eine alleinige Fokussierung auf die Entscheidungsgewalt des Papstes oder der Bischöfe, eine ständige Versuchung darstelle, so provoziere doch eine Ausrichtung der Kirche auf synodale Entscheidungsformen ebenfalls kritische Rückfragen - etwa eine massive Aufblähung des kirchlichen Apparats sowie eine Schmälerung der Bedeutung der Bischofskonferenzen.


Auch im Blick auf die Orthodoxie betrachtete Tück Synodalität mit Vorbehalten, vor allem dann und dort, wo das Prinzip der Autokephalie dazu beitrage, dass "ethnische Interessen theologische überlagern und die synodale Verständigung auf der universalen Ebene blockieren". Das "partielle Scheitern" des Panorthodoxen Konzils von Kreta 2016 zeige laut Tück schließlich, "dass Synodalität ohne Primat auf der universalen Ebene störanfällig" sei. Die Frage stehe damit im Raum, "ob die Kirchen des Ostens auf der universalen Leitungsebene nicht einen stärkeren Primat anerkennen könnten, den sie auf der regionalen Ebene bereits praktizieren".


Abschließend folgte eine Podiumsdiskussion mit den Vortragenden und den beiden Co-Sekretären des Irenäus-Kreises, dem orthodoxen libanesisch-deutschen Theologen Prof. Assaad Elias Kattan und Johannes Oeldemann, Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn. Hierbei wurde deutlich, dass orthodoxe und katholische Kirche mit der gleichen Herausforderung konfrontiert sind, die Balance zwischen personal und gemeinschaftlich ausgeübter Autorität zu finden, so die einmütige Einschätzung der Diskussionsteilnehmenden.


Die von der Stiftung PRO ORIENTE gemeinsam mit der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien durchgeführte Tagung kann online im Youtube-Kanal von PRO ORIENTE nachgeschaut werden: https://www.youtube.com/watch?v=fKL0TA_9k9I


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