Einige der TeilnehmerInnen des ersten Panels der Online-Konferenz "Mit- und Nebeneinander" am 22. April. In der Mitte oben: PRO ORIENTE-Präsident Alfons M. Kloss
München/Wien, 23.4.21 (poi) Die Kirchen in Südosteuropa sind gefordert, verstärkt zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen. Dafür braucht es aber auch entsprechende ökumenische Bemühungen, um ein gemeinsames und glaubwürdiges christliches Zeugnis und gesellschaftliches Engagement einbringen zu können. Das war eine der Kernaussagen des ersten Teils der internationalen Videokonferenz "Mit- und Nebeneinander. Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft im südöstlichen Europa" am Donnerstag, 22. April. "Die Kirchen müssen zusammen vorangehen und alle ökumenischen Möglichkeiten ausnützen", brachte es etwa der in Fribourg und Bukarest tätige Experte für den interreligiösen Dialog, Prof. Martin Hauser, auf den Punkt. Mit Prof. Hauser diskutierten und referierten Marijana Ajzenkol, Gründerin des interreligiösen Zentrums Belgrad, und der rumänische orthodoxe Theologe und Ökumene-Experte Mihai Iordache.
Iordache brachte für Rumänien die Erfahrung ein, dass ökumenische Offenheit nicht nur auf hoher Kirchenebene, sondern ebenso an der Basis notwendig sei. Er erinnerte daran, dass vor allem in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche junge Rumäninnen und Rumänen als Studierende im Ausland waren. Sie hätten dann viele positive Erfahrungen und neue Ideen zurück in ihre Heimat gebracht. "Das beeinflusst dann auch die rumänisch-orthodoxe Kirche im Land wie ganz generell die Bevölkerung", so der Theologe. Und auch die teilweise noch sehr traditionelle Einstellung der Bevölkerung ändere sich dadurch "in kleinen Schritten", so Iordache.
Auch die Erfahrungen der rumänischen Diaspora-Kirche seien in dieser Beziehung sehr hilfreich. In vielen Ländern würden die rumänisch-orthodoxen Christen von der Katholischen Kirche oder den Kirchen der reformatorischen Tradition sehr tatkräftig unterstützt. Etwa, wenn es um Kirchen für den Gottesdienst gehe. Das seien "ganz wichtige Brücken zwischen den Konfessionen", so Iordache.
Neue Freiheiten erlernen
Ein Befund, den Marijana Ajzenkol für Serbien einbrachte, der aber laut den beiden anderen Experten auch für die weiteren Länder Südosteuropas seine Gültigkeit hat: In den ersten Jahren nach der politischen Wende war Ökumene kaum ein Thema. Die Kirchen seien noch stark auf sich selbst bezogen gewesen. Der Umgang mit den neuen Freiheiten habe im allgemeinen politischen wie gesellschaftlichen Chaos erst erlernt werden müssen. Dazu seien dann im Bereich von Ex-Jugoslawien auch noch zahlreiche blutige Konflikte gekommen. Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und Religionen habe es in den ersten Jahren vor allem im humanitären Bereich gegeben.
Hauser und Iordache berichteten vom politischen Wandel in Rumänien. Kirchliches Leben sei zwar auch unter den Kommunisten möglich gewesen, habe sich aber praktisch auf Gottesdienste, also das Leben hinter Kirchenmauern beschränkt. Dabei sei der Zusammenhalt zwischen den schwer unter Druck stehenden Kirchen sogar besser gewesen als unmittelbar nach der Wende, wie Hauser sagte. "1989 war dann wie der Beginn einer neuen Welt", ergänzte Iordache. Manche Hoffnungen hätten sich seither erfüllt, andere nicht.
Herausforderung Säkularisierung
Ajzenkol, sie lebt in Belgrad, startete 1996/97 mit ihrer Initiative des interreligiösen Dialogs – zwar mit Unterstützung ihres Bischofs, "aber das spielte sich alles an der Basis ab", so die Gründerin des interreligiösen Zentrums Belgrad. Und es müsse nicht immer ein Dialog auf hohem intellektuellen Niveau sein. Auch ein christlich-muslimisches Fußballspiel trage zur Verständigung bei, so Ajzenkol. Nachsatz: "Seither haben wir sehr viel voneinander gelernt." Und: "Das gehört zu unserer Mentalität, dass wir immer versuchen, Limits zu überschreiten und dass es für jedes Problem irgendwie auch eine Lösung gibt."
Nicht unbedingt ein Limit, aber auf jeden Fall eine immense Herausforderung für alle Kirchen und Religionen in Südosteuropa ortete Mihai Iordache in der zunehmenden Säkularisierung. Die Kirchen würden wohl etwa für ihre sozialen Dienste geschätzt, mit der eigentlichen Botschaft des Glaubens dringe man aber immer schwerer zu den Menschen vor. Möglicherweise sei in diesem Sinne aber die Pandemie sogar "hilfreich", indem die Menschen wieder stärker mit existenziellen Fragen konfrontiert würden, so Iordache.
Frauen und Umwelt
Weitere Themen, die bei der Konferenz allerdings nur gestreift wurden, waren die Aufarbeitung der Zusammenarbeit kirchlicher Kreise mit den kommunistischen Machthabern der jeweiligen Länder, die Frauenfrage oder auch Umweltagenden. Marijana Ajzenkol ist u.a. auch in leitender Funktion im "Ecumenical Forum of European Christian Women" tätig. Die letzte Vollversammlung 2018 fand in Serbien statt. Das damals mit Abstand wichtigste Thema sei jenes der Gewalt gegen Frauen gewesen, berichtete sie.
Im Blick auf ökologische Themen meinte Ajzenkol , dass diese zumindest in Serbien vor allem von zivilgesellschaftlichen Organisationen vorangetrieben würden. Hier gebe es in den Kirchen "noch viel Luft nach oben". Umweltbewusstsein sei freilich für alle Gesellschaften Südosteuropas noch eine große Baustelle, räumte sie ein.
Räume für den Dialog ermöglichen
PRO ORIENTE-Präsident Alfons M. Kloss hob in seinen Begrüßungsworten bei der Tagung die Ziele der Stiftung PRO ORIENTE hervor. Es gehe darum, Brücken zwischen den Kirchen, Religionen und Völkern zu bauen und Räume für Dialog und Begegnung zu schaffen, gerade in konfliktbeladenen Regionen wie jener Südosteuropas.
Die weiteren Termine der Videokonferenz sind der 29. April sowie der 6. Mai und 20. Mai (jeweils 16 bis 18 Uhr). Die Konferenz widmet sich von verschiedenen Blickwinkeln her der Frage nach dem Umgang der Religionsgemeinschaften mit zivilgesellschaftlichen Zielen und Aktionen im südöstlichen Europa seit 1989.