"Jahrbuch für biblische Theologie" widmet sich der Sexualität
Die jüngste, dem Thema Sexualität gewidmete Ausgabe des "Jahrbuchs für biblische Theologie" setzt gezielt einen Kontrapunkt dazu, dass das Verhältnis Kirche-Sexualität "aufgrund massenhaft bezeugter Verbrechen zurzeit bedauerlicherweise vorrangig mit Missbrauch assoziiert" werde. Wie die Bibelwissenschaftlerinnen Irmtraud Fischer (Graz) und Uta Poplutz (Wuppertal) in ihrer Einführung schreiben, wird in dem jüngst erschienenen Band "gegen eine starre, auf patriarchalen Ehe- und kultischen Reinheitsvorstellungen fußende Sicht der Geschlechtlichkeit" die gesamte biblische Breite von Sexualität vorgestellt. Sie hoffen, damit einen Beitrag zur "Sprachbefähigung auf diesem oft verdrängten und dennoch so zentralen menschlichen Gebiet" zu leisten.
In der freiwilligen geschlechtlichen Hingabe sei der Mensch fähig, "das eigene Ich zu transzendieren", so die Autorinnen weiter. Freilich sei er auf sexuellem Gebiet auch vulnerabel. Machtverhältnisse, die rücksichtslos durchgesetzt werden, wirkten sich in diesem Bereich besonders destruktiv aus. "Vermutlich ist auf keinem menschlichen Feld so viel gelitten worden wie auf jenem der Sexualität - allerdings ist wohl auch nirgendwo sonst so viel Glück erlebt worden", mutmaßen Fischer und Poplutz. Der neue Band versuche die diesbezügliche Vielfalt in der Bibel auszuloten, die insgesamt 16 Beiträge der Fachleute aus dem deutschsprachigen Raum gehen dabei auch christlichen und jüdischen Rezeptionssträngen nach.
Einige der behandelten Aspekte: Eingangs widmen sich die Grazer Alttestamentlerin Irmtraud Fischer und ihr Zürcher reformierte Fachkollege Konrad Schmid durchaus widersprüchlich den Bibeltexten um die Menschenschöpfung, insbesondere der Paradieserzählung. Schmid vertritt dabei die These "no sex in paradise" und sieht vollzogene Geschlechtlichkeit erst nach dem Sündenfall gegeben; anders Fischer, die von einer "ungestörten, egalitär gelebten Geschlechtlichkeit" ausgeht.
Der Tübinger Theologe Ottmar Fuchs geht auf grundlegende bibelhermeneutische Fragen ein und richtet den Fokus auf die Auslegung quasi unumstößlicher biblischer Verbote in der heutigen Zeit. Dabei wendet sich Fuchs gegen eine "fundamentalistische Prolongierung altorientalischer Vorschriften", die vor allem in der katholischen Kirche fast ausschließlich auf dem Gebiet der Sexualität und der Geschlechterhierarchie zu finden seien.
Über das am meisten von Erotik getränkte Buch der Bibel, das Hohelied der Liebe, schreibt Annette Schellenberg; Tobias Nicklas widmet sich dem Zusammenhang von kirchlichem Amt und Sexualität, ähnlich Christian Hornung, der der Asketisierung des Klerus - beeinflusst durch das hohe Ansehen des Mönchtums - nachspürt. Die geschichtliche Entwicklung des Zölibats zeichnet Hubertus Lutterbach nach.
Band 33 des "Jahrbuches für biblische Theologie" (Vandenhoeck & Ruprecht, 2020) umfasst 320 Seiten und kostet 33 Euro.
Quelle: kathpress