Theologe: Klimakrise auch Folge des christlichen Menschenbildes
Die Klimakrise ist auch eine Folge eines christlich-anthropozentrischen Menschenbildes: Dieser Vorwurf, der seit den 1970er-Jahren diskutiert werde, sei nicht ganz von der Hand zu weisen, insofern der biblische "Herrschaftsauftrag über die Erde und die Tiere" - auch wenn er falsch verstanden wurde - doch zu einer technischen Aneignung und Unterwerfung der Natur geführt habe. Das hat der Südtiroler Moraltheologe Prof. Martin Lintner in einer neuen Folge der Podcast-Reihe "Diesseits von Eden" betont. Gleichwohl böte das jüdisch-christliche Erbe auch Auswege und Alternativen, die für einen nachhaltigen Lebensstil relevant seien, so Lintner weiter. Dies zeige etwa die Enzyklika "Laudato si'" von Papst Franziskus, aber auch die religiös aufgeladene indigene Rede von "Mutter Erde".
Ein theologisches Desiderat erkannte Lintner darin, dass in der Theologie traditionellerweise auf einer "individuellen Ebene" angesetzt werde und "strukturelle Zusammenhänge" oder Korrekturen auf struktureller Ebene weniger stark gesehen würden. Insgesamt sehe er die Zukunft recht nüchtern. Auch wenn er als Theologe der Hoffnung stets den Vorzug gebe, so sei er doch auch "Realist" - und die Realität gebe eben "Anlass zu großer Sorge", ob es gelingt, die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen tatsächlich zu schaffen.
Der Podcast widmete sich der Frage, inwiefern die Klimakrise "auch ein Thema für Philosophie und Theologie" darstellt und knüpfte damit an das Thema der Anfang September erstmals abgehaltenen "Brixner Philosophietagen" an. Neben Lintner kamen darin auch die Bozner Biologin Prof. Ulrike Tappeiner und der Münchner Sozialethiker Prof. Markus Vogt zu Wort.
Tappeiner, zugleich Rektorin der Freien Universität Bozen, stimmte Lintner darin zu, dass auch aus biologischer Sicht der "Anthropozentrismus" ein entscheidender Faktor der aktuellen Krise darstellt: "Es hat noch nie so eine Vorherrschaft einer Art auf der Erde gegeben" - und durch diese Vorherrschaft stehe die Welt gerade vor dem sechsten Massenaussterben. Von den ersten fünf habe sich die Erde "recht gut erholt" - aber so rasch wie derzeit sei dies noch nie verlaufen, so die Biologin, die neben der Klimakrise vor allem die "Biodiversitätskrise" als große Herausforderung der Gegenwart ausmachte.
Der Sozialethiker Vogt plädierte im Podcast für eine neue, "vierte Generation der Menschenrechte", in denen nach den individuellen Schutzrechten, den sozialen Einspruchsrechten und den politischen Mitbestimmungsrechten nun die "ökologischen Existenzrechte" verankert werden müssten. Dies hätte auch "polit-strategisch eine enorme Reichweite", etwa im Blick auf die Klimakonferenzen und -verhandlungen. Zur Kontrolle und Durchsetzung bräuchte es zudem Institutionen auf "Weltebene", so Vogt.
Die Podcast-Folge kann unter https://diesseits.theopodcast.at/die-klimakrise-und-was-religion-und-philosophie-damit-zu-tun-haben nachgehört werden. Der Podcast der theologischen Fakultäten in Österreich und Südtirol, "Diesseits von Eden. Gespräche über Gott und die Welt", ist unter https://diesseits.theopodcast.at abrufbar sowie über alle gängigen Podcast-Kanäle kostenlos abonnierbar (https://diesseits-von-eden.simplecast.com/; https://open.spotify.com/show/2UmXKDYRtqi3TMY6kgrAZ7?; https://podcasts.apple.com/at/podcast/diesseits-von-eden-gespr%C3%A4che-%C3%BCber-gott-die-welt/id1552193745).
Quelle: kathpress