
Seelsorger: Zur Lebenserfahrung gehört auch die Gottverlassenheit
"In der Dunkelheit. Zur Spiritualität des Dienens" lautet der Titel des jüngsten Buches des Theologen, Diakons und Krisenpsychologen Karlheinz Six. In der aktuellen Folge des Religionspodcasts "Wer glaubt, wird selig", spricht Six über sein Buch und seine Arbeit in der Suizid- und Krisenintervention. Die Idee zu dem Buch ist laut Six aus einer Unzufriedenheit heraus entstanden. In der kirchlichen Verkündigung fehle ihm oft ein wichtiges Element: die Gottverlassenheit. "Wir gehen über diese Erfahrung sehr schnell hinweg und machen etwas, was ich als 'Vertröstung' bezeichnen würde: Nämlich gleich vom liebenden Gott zu sprechen, der uns begleitet und immer da ist." Die Gottverlassenheit werde als bloßes Gefühl interpretiert, bei dem man sich eigentlich täusche.
Ihm fehle dabei aber "das Ernstnehmen dessen, dass es Lebenserfahrungen gibt, die vor diesem Hintergrund reflektiert werden können. Die Bibel ist voll von diesen Erfahrungen." Er habe beruflich mit vielen Menschen zu tun, die in verschiedenen Lebenskrisen steckten. "Da zu sagen, dass Gott sie begleitet, ist schon eine Herausforderung." Oft gebe es Lebensphasen, in denen man sich nicht nur alleine fühle, sondern es auch tatsächlich sei.
Den Buchtitel "In der Dunkelheit" habe er gewählt, weil diese Dunkelheit für ihn eine vielfältige Erfahrung sei, bei der es auch einen Konnex zur Gottverlassenheit gebe. Six verwies auf jenen Moment bei der Kreuzigung Jesu, bei dem sich die Sonne verfinsterte und Jesus rief: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Menschen, die gerade durch eine dunkle Phase ihres Lebens gehen, sieht Six auch in seiner Arbeit im Rahmen der Suizid- und Krisenintervention. Wer in diesem Gebiet tätig sein möchte, brauche vor allem "Sicherheit in der Unsicherheit". Die Begleitung der Menschen löse bei ihm immer Unsicherheit aus: "Dass Krisenbegleiter immer Sicherheit haben, ist ein zu hohes Ideal." Man müsse sich selbst beruhigen können, um Ruhe in eine schwierige Situation zu bringen. Ansonsten brauche es nur die Bereitschaft, nicht wegzugehen.
Sein erster Einsatz habe ihn zu einer Familie geführt, bei der der Vater sich mit dem Messer in den Hals gestochen habe und dann mit dem Hubschrauber abtransportiert worden sei. Er habe damals in der Akutsituation den 15-jährigen Sohn begleitet. Nach solchen Situationen müsse er auch Rücksicht darauf nehmen, wie es ihm selbst gehe: "Wenn es mal ein paar Tage langsamer geht, dann ist das so."
(Buchtipp: Karlheinz Six: In der Dunkelheit. Zur Spiritualität des Dienens. Verlag: Buchschmiede von Dataform Media GmbH, Wien 2021)
Der von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig" ist auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at), auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify abrufbar.
Quelle: kathpress