Generalsekretärin Parr: "Müssen raus aus dem Gender-Care-Gap"
Die Caritas erinnert am Internationalen Weltfrauentag (8. März) daran, dass die aktuellen multiplen Krisen Frauen besonders hart treffen. "Die Not in Österreich nimmt zu. Und die Not in Österreich ist weiblich. Daran ändert auch das Jahr 2023 und die vermeintliche Gleichstellung nichts", so Caritas-Generalsekretärin Anna Parr in einer Aussendung am Mittwoch. Die Gründe für Frauenarmut seien vielfältig: schlechtere Bezahlung in frauendominierten Branchen wie dem Dienstleistungsbereich, hohe Teilzeitbeschäftigung sowie das Tragen der Hauptlast der Betreuung und Pflege von Kindern und nahen Angehörigen. "Wir müssen raus aus dem 'Gender-Care-Gap'", forderte die Generalsekretärin.
Nur wenn eine Arbeitsmarktreform mit sozialer Handschrift gelinge, könnten nachhaltig Armutssituationen von Frauen und ihren Kindern verhindert und ein Leben in Würde und mit Zukunftschancen ermöglicht werden, ist Parr überzeugt. "In unseren 71 Sozialberatungsstellen in ganz Österreich sehen wir, dass die größten Problemlagen in der aktuellen Teuerungswelle Frauen treffen, allen voran Alleinerziehende, Mehrkindfamilien und Mindestpensionistinnen". Damit liege auf der Hand, dass es seitens der Politik eine Lösung zielgerichtet für Frauen braucht: einen Sozialstaat, der Frauen spezifisch unterstützt und entlastet."
526.000 Frauen waren in Österreich im Jahr 2021 laut Caritas armutsgefährdet. Das Risiko, in Armut abzurutschen, sei damit für Frauen im Vergleich zu Männern erhöht. Das höchste Armutsrisiko aller Haushaltstypen tragen mit 36 Prozent Alleinerziehende, und das sind fast ausschließlich Frauen mit Kindern. "Diese Zahlen spiegeln sich auch in unseren Einrichtungen wider", so Parr. Zwei Drittel der Klientinnen seien Frauen, davon ein Drittel alleinerziehend. "Wir treffen tagtäglich Frauen, die sich zwischen Heizen und Essen entscheiden müssen - und verzweifeln an der Unmöglichkeit, ihren Kindern den Schulausflug, Nachhilfe oder ein kleines Geburtstagsgeschenk zu ermöglichen."
Hohes Risiko für Altersarmut
Niedrigere Erwerbseinkommen und Lücken in der Erwerbsbiografie bewirkten niedrige Pensionszahlungen und erklärten eine aktuelle Pensionslücke von 41,6 Prozent in Österreich und eine besonders hohe Zahl an Frauen in Altersarmut, so die Caritas-Generalsekretärin. Dabei müssten sich gerade Frauen wieder auf den Sozialstaat verlassen können. "Der Sozialstaat in Österreich ist ein hohes Gut, aber durch die multiplen Krisen unserer Zeit werden große Risse und Lücken sichtbar", so Parr. Viele soziale Rechte seien an den Erwerbsstatus gekoppelt. Dies führe bei Frauen vielfach zu einer Benachteiligung.
Das beste Mittel gegen Armut und zur Vorbeugung von Altersarmut sei Erwerbsarbeit, betonte Parr. Um Frauen aber gleichgestellt in den Erwerbsprozess zu integrieren, brauche es strukturelle Veränderungen und bessere Rahmenbedingungen. "Die Politik sieht das Problem des Arbeitskräftemangels und der vielfach weiblichen Teilzeitarbeit, und behebt gleichzeitig die Wurzel des Problems nicht", kritisierte sie. Es brauche daher endlich ein flächendeckendes, leistbares Kinderbetreuungsangebot und einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Erst wenn das vorhanden sei, könnten Frauen einer Beschäftigung nachgehen oder ihre Teilzeitarbeit ausweiten.
Gerechte Aufteilung von Care-Arbeit
Es werde auch immer wieder ins Treffen geführt, dass sich viele Frauen bewusst für die Teilzeit und damit für Kinderbetreuung entscheiden würden, so Parr. In der Diskussion oft unbeachtet bleibe die unfreiwillige Teilzeit von Frauen, hier brauche es Antworten und Lösungen. Es müsse gesellschaftlich "normal" werden, dass sich Frauen und Männer Betreuungspflichten für Kinder und auch Care-Arbeit gleichermaßen aufteilen.
Teilzeitbeschäftigung ist in Österreich nach wie vor weiblich. 2021 waren 79 Prozent der Teilzeitbeschäftigten weiblich. Knapp die Hälfte der Frauen in Österreich arbeitet in Teilzeit, im Vergleich zu 11,6 Prozent der Männer. In der Altersgruppe von 30 bis 44 Jahren nannten 69 Prozent der Frauen, aber nur 13,7 Prozent der Männer Betreuungspflichten als wichtigsten Grund für ihre Teilzeitbeschäftigung.
"Aktuell haben wir eine Situation des 'gender-pay-gap', aber auch des 'gender-care-gap'", kritisierte Parr. Ziel müsse eine faire Aufteilung der Care-Arbeit von 50 Prozent sein. Um dies zu erreichen, brauche es ein soziales Gesamtkonzept, vor allem aber Akzeptanz in der Gesellschaft, bei Arbeitgebern und auch eine strukturelle Förderung und Maßnahmen speziell für Frauen. "Nur dann wird sich für Frauen nachhaltig etwas verändern", so Parr.
Quelle: kathpress