
Wiener Sozialethiker: "Wir brauchen mehr kirchlichen Klimaaktivismus"
Für ein Mehr an kirchlichem Klimaaktivismus hat sich der Wiener Sozialethiker Prof. Alexander Filipovic ausgesprochen. Aus einer "christlichen Weltverantwortung" heraus sollten sich - bei allen löblichen Initiativen und allem Engagement der Kirchen - Christen verstärkt mit den Klimaaktivisten solidarisieren, sagte Filipovic in einer aktuellen Folge des Theologie-Podcasts "Diesseits von Eden". "Ich glaube, dass eine echte christliche Perspektive nicht umhinkommt, die Kategorie Schöpfung ernst zu nehmen und entsprechend politisch dafür einzutreten. Und aus dieser Perspektive wäre es dann tatsächlich wünschenswert, man würde viel mehr Solidarität zeigen und sich auch dazustellen."
Kritik übte der Sozialethiker in dem Zusammenhang an einer "schlaff machenden Gewissheit", die gerade auch von offizieller kirchlicher Seite bzw. vonseiten kirchlicher Würdenträger immer wieder zu hören sei: "Es gibt leider oft auch von hohen Würdenträgern so etwas wie eine schlaff machende Gewissheit, dass Gott die Welt schon nicht untergehen lassen wird. Und das bringt einen natürlich auf die Palme." Hier helfe eine theologische Blickumkehr, riet der Theologe: "Und deswegen könnte man schon auch den Blick umwenden auf die Tradition, die wir im Christentum haben, eben die Apokalyptik. (...) Wenn Menschen durch das, was sie tun, die Welt an ihr Ende führen und die wissenschaftlichen Daten dafür sprechen, dass das so ist, dann sollte man vielleicht ernst nehmen, dass auch diese Welt trotz der Zusage Gottes zu Ende gehen kann.
Insgesamt zolle er den Klimaaktivisten Respekt, betonte Filipovic, da sie sich für eine lebendige Demokratie einsetzten und mit ihren Aktionen darauf hinweisen, dass die normalen Wege repräsentativer Demokratie gerade im Fall der Klimakrise "offenbar nicht mehr oder unzureichend funktionieren". Deswegen könne er in gewisser Weise auch verstehen, "dass die Protestformen schärfer werden". "Ich würde einfach hoffen, dass das die Politiker, die Menschen in unseren Ländern sehen und daraus lernen und es zum Anlass nehmen für noch grundlegendere Klimapolitik."
Filipovic diskutierte in der Podcast-Folge gemeinsam mit der aus Österreich stammenden, an der Philosophischen Hochschule in München lehrenden Sozialethikerin Prof. Claudia Paganini und dem bayrischen Klima-Aktivisten und Mitglied der "Letzten Generation", Vincent Schäfer, über das Thema "Woher kommt der Hass auf die Klimaaktivisten?"
Mangel an Solidarität
Paganini unterstrich dabei, dass "das Ausmaß der Empörung über die Klimaaktivisten in keiner Relation zum Anlass" stehe. Auch kritisierte sie eine Eskalation der Aggressionen und einen Mangel an Solidarität und Schutz durch die Politik. Die Politik sei aufgerufen, "deeskalierend" zu wirken und nicht noch durch Begriffe wie "Chaoten" oder "Terroristen" zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen und die Klimaaktivisten zu diffamieren.
Bestätigt wurde diese Einschätzung auch vom Aktivisten Vincent Schäfer, der Ende 2022 für 14 Tage in München-Stadelheim in "Präventivhaft" genommen worden war. "Wir sehen aus der Politik, dass man versucht, uns aus dem Diskurs herauszudrängen". Lob äußerte Schäfer indes für die christlichen Kirchen - diese seien "noch mit die Fortschrittlichsten in der Bewegung, mit denen wir auch gut zusammenarbeiten".
Der Podcast der theologischen Fakultäten in Österreich und Südtirol, "Diesseits von Eden. Gespräche über Gott und die Welt", ist unter https://diesseits.theopodcast.at abrufbar und über alle gängigen Podcast-Portale abonnierbar.
Quelle: Kathpress