Früherer Jugendseelsorger: "Zeit der jugendbewegten Pfarren ist vorbei"
"Die jetzige Generation unter 20, 25 Jahren lebt in einer Zeit und einem Kontext, wo man einfach niemandem mehr gegenüber sagt, dass man irgendwas mit Kirche zu tun hat." Die Zeit der "großen jugendbewegten Pfarren" sei vorbei: Diese Prognose hat der frühere Wiener Jugendseelsorger und jetzige Pfarrmoderator der Pfarre Breitenfeld, Gregor Jansen, im Interview mit der "Wiener Zeitung" (Ausgabe 15. April) abgegeben. An eine Trendumkehr glaubt er nicht. Die Zeiten der 1970er und 1980er seien vorbei, wo Jugendliche in die Pfarren gekommen seien, weil "es ein Ort war, wo man sich ausprobieren konnte, Freunde und auch Partner gefunden hat".
Bei der Seelsorge gehe es "immer mehr um punktuelle gelingende Formen und Begegnungen", egal ob Taufe oder Begräbnis, erläuterte der aus Deutschland stammende Jansen. Hier könne die Kirche aber auch "wahnsinnig viel kaputtmachen, wenn man Dinge falsch und unpersönlich macht".
"In meiner Jugend wollten wir es den alten Säcken zeigen", so Jansen wörtlich im Interview. Auch die Pfarren hätten viel ausprobiert. Aktuell sei dies "einfach nicht mehr von Interesse". Hinzu komme der "enorme Abbruch" bei der Pfarrjugend in den letzten zehn Jahren, so Jansen, der u. a. im Aufsichtsrat der St. Nikolaus-Kindergartenstiftung ist. Das werde auch in seiner eigenen Pfarre bemerkbar, wo es zwar eine engagierte Gruppe von Pfarrjugendlichen gäbe, "aber die sehe ich nicht in der Messe, wenn sie nicht gerade ministrieren".
Spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche
Junge Menschen würden zudem nicht mehr in die Kirchen und Pfarren kommen, wenn sie das Gefühl erhielten, "dass es bloß darum geht, sie einzuspannen", warnte Jansen. Jugendliche bräuchten Interesse an ihrer Lebenswirklichkeit und Möglichkeiten, sich auszuleben. "Das funktioniert aber auch in meiner eigenen Pfarre nur sehr bedingt, zumindest was den liturgischen Bereich betrifft."
Diese Entwicklung sei durch die Coronapandemie und dem Fehlen so mancher Angebote, wie Wochentagsmessen, noch beschleunigt worden. Die Leute hätten erfahren, "es geht auch ohne". Die Gesamtentwicklung wäre aber auch ohne Corona gekommen, "da habe ich keine Illusionen", stellte Jansen klar. Zwar sei die Gesamtzahl der Messbesucher am Sonntag um 9.30 Uhr wieder auf einem Vor-Corona-Niveau, steigende Zahlen gäbe es aber nicht.
Von 2003 bis 2011 organisierte Jansen gemeinsam mit jungen Erwachsenen die sogenannten "find-fight-follow"-Gottesdienste für Jugendliche in Pfarren der Erzdiözese Wien. Im Rückblick meinte er dazu: "Ich denke, wir haben die Art und Weise, wie Jugendgottesdienst in der Erzdiözese Wien gedacht und gemacht wird, nachhaltig verändert." Nach dem Ende der "find-fight-follow"-Gottesdienste und dem Einstellen der "Jugendkirche" habe er nun den Eindruck, "dass es nach unserem Abgang auf dem 'Markt' noch viele Player gibt." Jansen bezweifelte aber, ob solche Jugendmessen heute noch funktionieren würden.
Akzente setzt Jansen aktuell mit "AGO" - kurz für "Actionmessen für Kids" - bei der sich die Kinder frei durch die Kirche bewegen können. Kinder sollen dabei möglichst viel mitmachen können, "damit sie vor allem ab der Eucharistie, wenn es sozusagen katholisch wird, gar nicht auf die Idee kommen, sich zu langweilen", erklärte Jansen. Den AGO-Gottesdienst findet in der Pfarre Breitenfeld fünfmal im Jahr statt, zwei weiteren Pfarren haben das Konzept bereits übernommen. "Mittlerweile reist mindestens die Hälfte der Kinder von auswärts gezielt zu 'AGO' an, manche kommen sogar extra aus dem Weinviertel zu uns."
Positiv hob Jansen die kirchliche Dialog-Initiative für junge Erwachsene "Denk Dich Neu" hervor, die u. a. Festival-Seelsorge anbietet. "Sehr schade finde ich halt, dass es in Wien aus finanziellen Gründen nach einem Jahr wieder beendet werden musste. In anderen Diözesen läuft aber noch einiges sehr gut."
Die Kritik, dass diese Form der Seelsorge zu großen Eventcharakter hätte, kann Jansen nicht nachvollziehen. Denn: "Wenn die normale Messe halt so fad ist, dass sie von sich aus nicht die Leute an sich bindet, warum sollen wir dann darauf verzichten, etwas spannender zu machen, nur um nicht dem faden Angebot Konkurrenz zu machen?"
(Info: www.breitenfeld.info/ago)
Quelle: kathpress