Hospiz Tirol: Reden über Sterben kann dem Leben mehr Tiefe geben
Die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft ist vor 30 Jahren angetreten, "um das Thema Tod und Sterben aus der Tabuzone zu holen". Über die dabei erzielten Erfolge, aber auch noch wünschenswerte weitere Schritte hat Geschäftsführer Werner Mühlböck anlässlich des Jubiläums mit dem "Tiroler Sonntag" (Ausgabe 26. Oktober) gesprochen. Seit der Gründung habe sich "Gott sei Dank viel geändert, wenn man bedenkt, dass es damals noch Sterbekammern in Krankenhäusern gegeben hat oder Menschen auf den Gängen gestorben sind". Zugenommen habe in den vergangenen drei Jahrzehnten aber die Einsamkeit vieler Menschen, und die Scheu vor dem Thema Tod sei geblieben. Über das Sterben zu reden, kann laut Mühlböck aber "eine große Bereicherung sein und dem Leben mehr Tiefe und Inhalt geben".
Es sei normal, dass das Thema Tod und Sterben "nie leicht von den Lippen" gehe. Wichtig sei dennoch, sich dem zu stellen und dabei auch die eigene Unsicherheit zu benennen, riet der Experte. "Die Angst sollte uns nicht dazu verleiten, uns abzuwenden oder nur noch nach Institutionen zu rufen, die die Arbeit übernehmen." Wichtigstes Instrument sei das Zuhören. "Im Zweifel ist es manchmal besser, nichts zu sagen, als zu viel zu sagen", sagte Mühlböck. Jedenfalls sei die Konfrontation mit dem Sterben ein Impuls, "darüber nachzudenken, was uns wirklich wichtig ist".
Als das Besondere der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft bezeichnete der Geschäftsführer die Sichtweise des Menschen als "ganzheitliches Wesen, physisch, psychisch, psychosozial und spirituell". Auch Schmerz habe neben der körperlichen auch eine psychische oder eine spirituelle Dimension. "Je mehr es um den ganzen Menschen geht, umso herausfordernder wird es", weiß Mühlböck.
Familienzusammenhalt wird schwieriger
Zur gestiegenen Einsamkeit vieler komme auch die immer größere Mobilität und Flexibilität des Lebens. Dass Familienmitglieder heute oft in verschiedenen Städten leben, mache auch die Betreuung von Menschen schwieriger. Das Thema "Sorge" werde künftig große Aufmerksamkeit erfordern, erklärte der Hospiz-Vertreter. Das betreffe nicht nur Institutionen: "Jeder von uns ist Freund, Nachbar, Angehöriger" und könne dazu beitragen, dass Menschen Beachtung finden, die Unterstützung brauchen. Die Hospiz-Gemeinschaft biete zum Beispiel "Letzte-Hilfe-Kurse" an, die - so Mühlböck - in Tirol sehr gut angenommen werden. Ziel sei es, "den Gedanken der Zuwendung und des Füreinander-Daseins zu den Menschen zu tragen". Die Hospiz-Gemeinschaft verstehe sich als eine Bewegung, "die fachlich am Puls der Zeit ist, aber nicht alles selber machen will und kann". Menschen sollen ermutigt und befähigt werden, sich um andere zu kümmern.
Auf die Frage nach Wünschen an die Politik lobte der Geschäftsführer die Bemühungen der Verantwortlichen in Tirol. Allein die Errichtung des Hospiz-Hauses in Hall sei einzigartig im deutschsprachigen Raum. Dringend benötigt würden jedoch 24 zusätzliche Hospiz-Betten in den Regionen Tirols. Diesbezüglich sei man mit dem Land im Gespräch.
Heute baut die Hospiz-Gemeinschaft laut dem "Tiroler Sonntag" auf ein Team von 95 hauptamtlichen und 369 ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Allein im Jahr 2022 wurden 1.860 Menschen betreut. Ein "Meilenstein" sei die Eröffnung des Hospiz-Hauses in Hall gewesen. Mit Unterstützung des Landes Tirol sei es auch gelungen, mobile Hospiz- und Palliativdienste in allen neun Bezirken Tirols zu etablieren. (Link: www.hospiz-tirol.at)
Quelle: kathpress