Zulehner in Synoden-Zwischenbilanz: "Epochaler Sprung nach vorn"
Eine positive Zwischenbilanz nach der ersten von zwei Weltbischofsversammlungen zur Synodalisierung der katholischen Kirche hat der Wiener Theologe Paul M. Zulehner gezogen. Mit Blick auf den Bericht zum Abschluss der Vatikan-Synode von 4. bis 29. Oktober schrieb er in seinem Blog von einem "epochalen Sprung nach vorn". Dies zeige sich, in einer neuen Kommunikationskultur und in der Aussicht auf eine "innerkatholische Ökumene" mit mehr Befugnissen für kirchliche Kontinentalversammlungen und die Diözesen. "Manche bei uns mögen es belächeln: Aber es war ein Sprung nach vorn, dass in der Synodenaula viele Tische für Kleingruppen standen, an dem Frauen und Männer mit Bischöfen und Kardinälen saßen und auf Augenhöhe miteinander berieten", schrieb Zulehner.
Die Synodenarbeit lebte vom Hören auf den Heiligen Geist und vom Versuch, die Geister zu unterscheiden, erinnerte der Theologe an die Startvorgaben von Papst Franziskus. "Man lernte Zuhören, Respekt für die Meinungsvielfalt, konnte den Dissens aushalten." Die "Spiritualisierung" des Vatikan-Treffens verursachte laut Zulehner allerdings auch "eine Art unproduktiver Konfliktvermeidung": Schon lange anstehende Reformthemen seien folglich nicht vorangebracht worden.
Der Zwischenbericht äußere dazu die Hoffnung, "dass es im kommenden Jahr gerade in kontinentalen Versammlungen, aber auch in den Ortskirchen neue Impulse zu den offenen Fragen geben werde". Das wäre ein "Vorspiel für den wohl bahnbrechenden Erfolg" der Synodenversammlung im Oktober 2024, wenn die kirchlichen Ebenen unter der Zentrale in Rom mit neuen Befugnissen ausgestattet würden, so Zulehner. Sein Ausblick darauf: "Dann müssten die Kirchen in Afrika nicht mehr der Freistellung des Zölibats in Amazonien zustimmen und osteuropäische Kirchengebiete nicht der Segnung von homosexuellen Paaren."
Der "Reformstau" in der katholischen Kirche könnte sich durch eine solche Weichenstellung in Richtung Anerkennung innerkatholischer Vielfalt "endlich auflösen", lautete Zulehners Prognose.
Keine Abwertung von "Parlament" mehr
Die Oktober-Versammlung im Vatikan sei nicht eine der gewohnten Bischofssynoden gewesen, sondern eher eine "Volk-Gottes-Synode", in der nicht nur Bischöfe, sondern Frauen und Männer kraft ihrer Taufe, Sitz und Stimme hatten. Das könne jene Ortskirchen wie die Kirche in Deutschland ermutigen, die eine Art dauerhaftes "Kirchenparlament" wünschen und damit Synodalität institutionalisieren. Erfreulich ist nach den Worten des Theologen, dass der bisher nur auf Italienisch vorliegende Synoden-Bericht "die schroffe Gegenüberstellung von Synode und Parlament verlassen hat". Das mache Sinn, weil der Geist Gottes ja nicht nur in der Synode am Werk sei, "sondern eben auch in Parlamenten, die um das Gemeinwohl ringen".
Für manche Bischöfe sei die Versammlung "ein richtiges Zuhörtraining" gewesen, erinnerte Zulehner an die Aussage eines deutschen Bischofs. Und "es könnte sein, dass manche Bischöfe damit verändert in ihre ortskirchliche Amtsführung heimkehren". Auch das wäre ein schöner Erfolg, schrieb Zulehner.
Offene "heiße Eisen"
Die hohe Zustimmung der Synodalen zum vorliegenden Text sei "freilich dadurch erkauft" worden, "dass viele Fragen nicht gelöst, sondern als weiterhin offen benannt wurden". Das bedeute für das kommende Jahr viel Arbeit, wies der Theologe hin.
Offen geblieben seien etwa die Themen Frauendiakonat, Zölibatsverpflichtung, kirchliche Sexualkultur, Genderfrage sowie Segnung gleichgeschlechtlich liebender Paare. Das mag jene enttäuschen, die schon jetzt Entscheidungen erwartet haben. Aber - so Zulehners Einwand - es wird auch jene beunruhigen, die diese Fragen vom Synodentisch weghaben wollten. "Das sind laut Abstimmungszahlen bei sensiblen Fragen mit einem Drittel gar nicht so wenige."
Es hat sich nach Zulehners Einschätzung bei der Synode gerächt, dass anders als beim Zweiten Vatikanischen Konzil theologische Fachleute nicht an den Tischen der Synoden-Aula saßen. Dem nun vorliegenden Bericht sei dies auch klar. Nicht umsonst werde gerade für die "Vertiefung" der offen gebliebenen Fragen um die Arbeit der Theologen und anderen Wissenschaften gebeten.
Weltgeschehen blieb nicht außen vor
Eine Befürchtung Zulehners u.a. Fachleute habe sich bei der Synodalversamlung nicht bestätigt: dass es nämlich primär um innerkirchliche Reformen gehen werde. Der Bericht sei erfreulicherweise nicht dabei stehen geblieben: Die aktuell so "taumelnde Welt" sei präsent gewesen, "nicht zuletzt durch Personen, die aus den Krisenherden kamen, aus der Ukraine und Russland, aus Israel und Palästina". Auch dem Thema Migration und sogar der Informatisierung wurde nach der Beobachtung Zulehners hohe Aufmerksamkeit geschenkt, "der Schrei der Erde und der Armen wurde gehört".
Zulehners Schlusssatz mit Blick auf das Jahr bis zur abschließenden Weltsynode im Oktober 2024: "Es bleibt also spannend auf dem Synodalen Weg der Weltkirche."
(Link: https://zulehner.wordpress.com)
Quelle: kathpress