Wien: Gedenkgottesdienst für Körperspender erstmals im Stephansdom
Der ökumenische Gottesdienst für verstorbene Körperspender, zu dem die Medizinische Universität Wien und die Hochschulseelsorge in Wien alljährlich einladen, findet heuer erstmals im Stephansdom statt. Der Gottesdienst am Donnerstag (9. November, 18 Uhr) ist sowohl eine Danksagung an die Verstorbenen, die ihren Körper der medizinischen Forschung gespendet haben, als auch eine Gelegenheit für Angehörige, Wissenschaftler und Studierende, den Verstorbenen zu gedenken und ihnen Respekt zu erweisen, heißt es in einer Ankündigung auf dem Onlineportal der Erzdiözese Wien.
Geleitet wird der Gottesdienst gemeinsam von P. Simon De Keukelaere von der katholischen Hochschulgemeinde und der evangelischen Hochschulpfarrerin Katharina Payk. Da in der Votivkirche, wo der Gottesdienst bisher gefeiert wurde, nicht genug Platz für die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist, findet die Feier heuer im Dom statt. Der jährliche Gottesdienst geht den Angaben zufolge auf eine Initiative des Grazer Anatomieprofessors Michael Pretterklieber zurück.
Die Asche der verstorbenen Körperspender wird auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Gräberfeld bestattet. Am Donnerstagnachmittag finden dort um 14 Uhr in der Gruppe 12A (historisches Ehrengrab, bis 1975) sowie um 15 Uhr in der Gruppe 26 (aktuelles Ehrengrab, seit 1975) Kranzniederlegungen mit stillem Gedenken statt.
Wien und die Geschichte der Anatomie
Im 15. Jahrhundert, zur Zeit der ersten Leichenöffnung in Wien (1404), gab es seitens der Kirche noch theologische Bedenken. Aus Sorge um die Unversehrtheit des menschlichen Körpers, die man für die Auferstehung notwendig erachtete, wurde vom Dompropst ein Obduktionsverbot ausgesprochen. Dennoch wurde von den Brüdern des Hl. Geistes, die sich hauptsächlich der Krankenpflege widmeten, die ersten Obduktionen durchgeführt, was durch ihre Unabhängigkeit vom Domkapitel möglich war. 1749 ermöglichten die Jesuiten an der Universität Wien den Beginn des anatomischen Wissenschaftsbetriebs in Wien.
Die Zahl der Menschen, die daran interessiert sind, ihren Körper post mortem der Anatomie zur Verfügung zu stellen, ist anhaltend groß, obwohl damit seit 2004 ein Kostenbeitrag verbunden ist. Der Entschluss kann zu Lebzeiten von der interessierten Person widerrufen werden, Angehörige haben allerdings kein Mitspracherecht. Für sie könne die Feier am Donnerstag ein Moment des Gedenkens und Abschiedsnehmens darstellen. Ihre letzte Ruhe finden die Verstorbenen in einem Gräberfeld auf dem Wiener Zentralfriedhof, wo am 26. Oktober in aller Stille eine Kranzniederlegung stattfindet.
Auch Kardinal Christoph Schönborn hatte sich in einem Zeitungs-Kommentar 2022 zur Bedeutung dieser Feier geäußert: "Lange war umstritten, ob Leichen seziert werden dürfen. Religiöse Gründe sprachen dagegen. Der Leib sollte unversehrt bleiben. Doch setzte sich die Überzeugung durch, dass es dem Wohl der Lebenden dient, wenn am Körper von Verstorbenen geforscht werden darf", schrieb der Wiener Erzbischof. "Medizin und Religion - beide dienen dem ganzen Menschen, Leib und Seele", so Schönborn.
Quelle: kathpress